So nah bei dir und doch so fern
erachtete Alison es für angemessen, Mark zur Seite zu stehen, indem sie sagte: »Sei mal ein bisschen nett zu Mark. Er gibt wirklich sein Bestes.« Das brachte mich nur noch mehr auf, und es dauerte Monate, bis ich die Opfer zu würdigen wusste, die Mark gebracht hatte, und bis ich die harte Arbeit anerkannte, die er leistete, um unserer Familie ein einigermaßen normales Leben zu ermöglichen.
Nur ein paar Tage vor meiner Entlassung besuchte mich Mark, und zum ersten Mal seit Februar machte es ihn sprachlos, wie »normal« ich wirkte. Ich lag auf dem Bett in meinem Einzelzimmer, ohne seine Anwesenheit zu bemerken, und rutschte hin und her, um es meinen Beinen gemütlich zu machen. Mark blieb mehrere Minuten außerhalb meines Blickfeldes stehen, beobachtete mich schweigend und war so stolz wie an jenem Tag, als unser erstes Kind zur Welt kam.
Plötzlich spürte ich seinen Blick, und der Zauber war verflogen, als ich rief: »Was starrst du mich so an?«
KAPITEL 37
Ich habe meine Zeit abgesessen; danke und tschüss!
M an nannte mir das Entlassungsdatum: 29. September 2010. Ich begann die Tage zu zählen, bis ich wieder in meinem eigenen Bett schlafen durfte. Es war eine Woche früher als erwartet, aber ich hatte mal wieder Druck gemacht und verlangt, dass man mich nach Hause ließ. Mark hatte in Deutschland zu tun, seine Eltern kümmerten sich um die Kinder, und das Badezimmer war immer noch eine Baustelle. Doch das spielte alles keine Rolle, ich wollte nach Hause. Bevor Mark zu seiner Geschäftsreise aufbrach, gab es im Krankenhaus einen ausgewachsenen Streit zwischen uns. Am Ende sagte ich ihm: »Regel du das, ich komme nach Hause.« Für mich gab es nichts zu verhandeln, ich wollte endlich raus.
Da Mark im Ausland war, blieb es an meiner Mutter hängen, mich aus dem Krankenhaus abzuholen. Doch vor meinem endgültigen Abschied galt es noch, ein letztes Hindernis zu überwinden: den Gang von meinem Bett zum Eingang der Station. Zwei Monate zuvor hatte ich Oliver eine Nachricht geschrieben, in der ich versprach:
Ich gehe hier zu Fuß raus.
Damals hatte er mit den Augen gerollt, als wolle er sagen: »Wir werden ja sehen.«
Am Morgen meiner Entlassung bediente meine Mutter die Videokamera, um meine Marathonleistung festzuhalten. Ich hatte mir dieses letzte Ziel selbst gesetzt, und ich musste es schaffen. Es gab keinen Druck von Seiten des Pflegepersonals und der Therapeuten, sie hätten mich liebend gerne zum Auto geschoben und mir nachgewunken, doch ich wollte mir selbst beweisen, dass ich in der Lage war, selbstständig zu gehen.
Um mich auf das große Finale vorzubereiten, hatte Alison meine grauen Haaransätze aufgefrischt, und meine Mutter hatte mir meine Jeans, eine Lederjacke und meine besten Schuhe gebracht, sodass ich feierlich gekleidet war, um an mein Ziel zu gelangen – mein Zuhause.
Das gesamte Pflegepersonal hatte sich versammelt und wartete darauf, dass ich mich aus meinem Rollstuhl erhob und für den langen Gang nach Hause auf meine Krücken stützte.
»Hintern gerade halten!«, rief der »Drill-Sergeant«, während ich mit den Krücken auf den Linoleumboden klopfte und meine Füße dem Rhythmus folgten. Die Bewegungen waren mechanisch, doch ich lachte.
Mit jedem vorsichtigen Schritt gewann ich an Selbstvertrauen. Ich kam am Bereich für die schwer Pflegebedürftigen vorbei, wo ich die ersten beiden Monate meiner Rehabilitation verbracht hatte. Ich passierte das Nebenzimmer, in dem ich so manchen langen Nachmittag damit verbracht hatte, über den Garten hinweg in die Ferne zu starren, und ich ging mit unsicherem, aber zielstrebigem Schritt weiter. Und während ich ging, folgten mir immer mehr Schwestern und Pfleger. Ich fühlte mich wie Rocky, der einen Triumphzug um den Ring anführte.
Als ich die Außentüren der Abteilung erreichte, blieb ich stehen. »Hintern aufrecht halten, Sie sacken ab!«, ließ mich der »Drill-Sergeant« wissen. Doch ich konnte nicht weitergehen, machte unter Tränen Schluss und ließ mich auf einen Stuhl fallen. »Sara klein«, die mir die ganze Zeit gefolgt war und meine Sachen in einem Plastikbeutel des Krankenhauses trug, half mir, mich hinzusetzen, damit ich wieder zu Atem kam.
Bei all den Anstrengungen, Osborn 4 zu verlassen, hatte ich mich nicht auf die Schwermut vorbereitet. Jetzt, als sich meine Therapeuten im Flur aufreihten, um mir Lebewohl zu sagen, und andere Patienten im Rollstuhl kamen, um mir die Hand zu drücken, sah ich, wie Becky, eine
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