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So nicht, Europa!

Titel: So nicht, Europa! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Bittner
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besser geht. Weil es Menschen gibt, die in den vergangenen 50   Jahren nicht so viel Glück hatten wie wir.« Nach dem Einmarsch russischer Truppen nach Georgien, berichtet sie, wachse in
     Usbekistan die Angst, der große Nachbar könne auch die Usbeken mit Gewalt gefügig machen. »Wenn wir die Region für den Westen
     nicht verlieren wollen, brauchen wir gute Beziehungen zu Usbekistan und zu Zentralasien als Ganzes.« Sicher, die Menschenrechtslage
     sei längst noch nicht befriedigend. »Aber es gibt Fortschritte«, beharrt Jeggle. »Mit Befriedigung«, berichtet sie, nahm der
     Rat der Europäischen Außenminister etwa zur Kenntnis, dass Anfang Oktober 2008 in Taschkent ein Seminar über Medienfreiheit
     abgehalten wurde. Dies sei ein wichtiger Schritt zur Öffnung des Landes für westliche Standards gewesen.
    Andere Teilnehmer der Veranstaltung indes können nicht erkennen, was an diesem Ereignis auch nur annähernd befriedigend gewesen
     sein soll. »Wir Besucher wurden zum Teil einer Propagandashow gemacht«, erinnert sich Jacqueline Hale, die für das Open Society
     Institute von Brüssel nach Usbekistan reiste, um das Seminar zu verfolgen. »Die angeblichen usbekischen Journalisten waren
     Apparatschiks. Sie zeigten uns tolle neue Computer, aber als wir fragten, warum kein Reporter über Machtmissbräuche der Regierung
     oder die Kinderarbeit auf den Baumwollfeldern berichtet, leugneten sie, dass es so etwas überhaupt gäbe.« Andrew Stroehlein,
     Pressechef der International Crisis Group, bestätigt: »Die Konferenz überstieg alle meine Erwartungen des Surrealen.«Die Kritik stimme schon, räumt die E U-Abgeordnete Jeggle ein, das Medienseminar sei, gemessen an europäischen Maßstäben, enttäuschend verlaufen. Doch die Einstellung vieler
     NGOs zur Menschenrechtsförderung findet sie schlicht zu ungeduldig. »Tat sache ist: Die Zahl der Gefangenen in Usbekistan geht zurück. Dem Roten Kreuz wird Zugang zu Gefängnissen gewährt. Ich selbst habe
     mit Häftlingen gesprochen. Die Menschenrechtsarbeit des Europäischen Parlamentes ist nicht bloß Theorie – aber manches ist
     halt elend zäh.«
    Dem Auswärtigen Amt ist das Engagement von außenpolitischen Ehrenämtlern wie Jeggle ausgesprochen willkommen. Sie und andere
     E U-Parlamentarier bilden eine sanfte Vorhut Europas, die sich nicht an die üblichen protokollarischen Beschränkungen von Staatendiplomatie
     halten muss. 24 interparlamentarische Delegationen des Parlaments pflegen Kontakte zu außereuropäischen Staaten. Sie betreiben
     Außenpolitik per menschlicher Osmose, wenn man so will. »Pan metron ariston (alles in Maßen)«, erinnert der griechischstämmige
     deutsche Abgeordnete Jorgo Chatzimarkakis (FDP) an ein Prinzip der klassischen Philosophie. »Finde die richtige Balance zwischen
     Kritik und Diskurs.« Den »unbe obachteten « E U-Parlamentariern , glaubt er, falle dieses rechte Maß deswegen leichter, weil sie nicht unter »ständigem Beschuss der Medien« stünden. »Von
     den Volksvertretungen der Mitgliedstaaten kann man das nicht sagen. Sie sind in der demokratischen Falle gefangen und müssen
     ihre Entscheidungen zu oft so formen, dass sie der öffentlichen Meinung gefallen.« 42
     
    Schließlich gibt es das weite Feld jener europäischen Innenpolitik, auf dem einheitliche Gesetzgebung für alle 27   Länder unbestreitbar eine Menge Sinn ergibt. Auf ihm ist Werner Langen zu Hause. Der Ingenieur aus Rheinland-Pfalz, Jahrgang
     1949, ist ein humorvoller Mensch, der immer einen Scherz auf den Lippen hat. Zugleich gilt der Chef der CDU/CS U-Gruppe als einer der mächtigsten Politiker im Parlament. Sanft im Ton, hart in der Sache, auch so kann es zugehen im Europaparlament.
     Genau dann nämlich, wenn nationale Interessen berührt sind. Manche Besitzstände bleiben auch im Brüsseler Freundeskreis eifersüchtig
     gehütet.
    Das Straßburger Abgeordnetencafé, in das Langen kräftigen Schrittes gegangen kommt, hallt wider von den temperamentvollen
     Gesprächen italienischer und französischer Abgeordneter.Langen muss die Stimme heben, um zu seinem Gesprächspartner durchzudringen. »Natürlich«, sagt er, als würde er am liebsten
     mit der Faust auf den Bistrotisch hauen, »verteidigen wir hier die Interessen der deutschen Autoindustrie.« Langen selbst
     hat federführend dafür gesorgt, dass der Grenzwert für den CO 2 -Ausstoß auf 95   Gramm pro gefahrenem Autokilometer nur mit einer langen Übergangsfrist verpflichtend

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