So prickelnd wie Champagner
drehte Starr sanft zu sich um. „Was ist denn los?“
Mit zusammengepressten Lippen schüttelte sie den Kopf. „Das willst du lieber nicht wissen.“
„Vielleicht doch.“
Ihr blieb fast das Herz stehen, als Callum sich näher zu ihr neigte und der frische Zitrus-Duft seines sicher sehr teuren Aftershaves sie einhüllte. Am liebsten hätte sie sich ihm bedingungslos in die Arme geworfen.
Während das angespannte Schweigen zwischen ihnen sich in die Länge zog, prickelte Starrs Haut erwartungsvoll. Sie atmete stoßweise, während ihr Herz einen Mambo-Rhythmus schlug.
Erwartung und Vorfreude: Es gab nichts Schöneres. Starr war geradezu süchtig danach, sie liebte das nervöse Vibrieren, das sie erfüllte, bevor sie die Bühne betrat – und den Adrenalinstoß während der ersten Schritte einer neuen Tanznummer.
Dann stand sie – wie jetzt auch – vor etwas Großem, Aufregendem, etwas, das ihr Herz schneller schlagen ließ und all ihre Sinne zum Leben erweckte.
„Ich will nicht, dass irgendetwas dich heute in deiner Arbeit beeinträchtigt“, sagte Callum. „Wir haben sehr viel zu tun.“ Er ließ die Hand sinken und wich einen Schritt zurück. „Darum sag mir bitte, was los ist.“
Es ging ihm also um die Arbeit. Natürlich, dachte Starr. Wie hatte sie nur einen Moment lang glauben können, sie selbst wäre ihm wichtig?
Während sie sich innerlich wüst beschimpfte, weil sie angenommen hatte, er würde sich auch ein wenig zu ihr hingezogen fühlen, verschränkte sie die Arme vor der Brust und schaffte es mit Mühe, nicht zu schmollen.
„Mir fehlt mein Tanztraining“, erklärte sie. „Der Bewegungsmangel macht mich ganz gereizt.“
Callum sah sie eine Weile forschend an, dann wies er den Flur entlang. „Da geht’s zum Ballsaal. Du kannst dort gerne üben.“
„Wirklich?“
„Du kannst alles tun, was dir dabei hilft, dich auf die Arbeit zu konzentrieren.“
„Danke!“
Eigentlich hätte Starr außer sich vor Freude sein müssen: Sie hatte eine gute Stelle mit sicherem Einkommen, eine tolle Unterkunft und jetzt auch noch einen Raum, in dem sie trainieren und wieder in Form kommen konnte, bevor sie sich bei den Tanzkompanien von Melbourne vorstellte. Es ging eindeutig bergauf.
Aber warum wurde sie dann ihre schlechte Laune nicht los, während sie zum Abschied winkte und sich auf den Weg ins Cottage machte, um sich umzuziehen?
Schnaubend betrat Starr den Ballsaal.
Eigentlich hätte sie Callum dankbar dafür sein müssen, dass sie diesen tollen Raum benutzen durfte. Stattdessen warf sie Handtuch und Wasserflasche in eine Ecke, stellte die Musik auf ihrem iPod laut und versuchte, mit Tanzen ihren Ärger zumindest teilweise loszuwerden.
Das hatte schon früher funktioniert: in ihrer Kindheit, als sie den jahrelangen Groll gegen ihre Eltern weggetanzt hatte, ebenfalls nach der Trennung von Sergio – und es musste auch jetzt funktionieren, denn sonst würde Starr irgendwann explodieren.
Vielleicht waren es die Hormone. Oder es kränkte sie, dass Callum einfach so tun konnte, als sei zwischen ihnen nie etwas vorgefallen. Vielleicht musste sie sich auch nur dehnen und herumwirbeln, nachdem sie eine Woche lang wie eingesperrt gewesen war. Doch was auch immer der Grund für ihre Stimmung war: Starr musste ihre Gedanken mit dem verdrängen, was sie am besten beherrschte – tanzen.
Die sanfte, ätherische Musik, die sie zum Aufwärmen benutzte, drang in ihre Ohren, machte ihre Muskeln weich und ließ ihre Nerven prickeln vor lauter Drang, sich zu bewegen.
Starr dehnte nacheinander alle vernachlässigten Beinmuskeln und genoss das leicht schmerzhafte Ziehen, das auf die längste Phase ohne Tanztraining hinwies, die sie je erlebt hatte.
Sie ließ den Oberkörper nach vorn sinken, schwang hin und her und schüttelte die Arme aus. Dann atmete sie mehrmals tief ein, während sie sich aufrichtete und die Arme nach oben streckte. Mit dem fünften Atemzug verpuffte auch der letzte Rest Ärger. Ja, genau das hier hatte sie gebraucht.
Die Musik erfüllte Starr, ihren Körper und ihre Sinne, mit einem Gefühl des Friedens, das sie nur im Tanz fand. Genau deshalb hatte sie auch vor vielen Jahren damit angefangen: als einsames fünfjähriges Kind, das wieder einmal allein auf der Treppe vor der Schule saß und auf seine Eltern wartete, die das Abholen vergessen oder Wichtigeres zu tun hatten.
An jenem Tag hatte die Musiklehrerin sie dort entdeckt und mit in die Aula genommen. Dort sah Starr eine Gruppe
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