So schoen Tot
mich gebucht. Nicht für Anne, mich und Manni! In allererster Linie für Anne. Damit sie mal rauskommt aus dem Ehekäfig. Damit ihr mal wieder deutlich wird, dass sie ein eigenständiger, freier Mensch ist, mit einer eigenen Meinung. »Bestell dir, wonach es dich gelüstet, ich hab dich eingeladen, und wer weiß, was in den nächsten Jahren sein wird. Lass es uns hier und jetzt einfach genießen.«
»Du bist also doch krank«, stellte Anne fest.
»Wie kommst du denn da drauf?«, runzelte ich die Stirn.
»Manni sagt, du müsstest wohl schwer krank sein, wenn du mich zu einem derart teuren Wochenendurlaub einlädst. Er hat im Internet nachgeguckt und gesehen, dass das Hotel ein Schweinegeld kostet. Manni sagt, du willst sicherlich auf diese Art Abschied nehmen.«
So ein Blödmann. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht zu explodieren, dann aber kam mir in den Sinn, dass ich Mannis Überlegung durchaus für mich nutzen konnte. Als Plan B sozusagen, wenn Plan A wider Erwarten scheitern sollte. »Reden wir nicht davon«, sagte ich, atmete dabei bewusst tief und kriegte sogar einen leicht traurigen Blick hin. Anne ergriff über den Tisch meine Hand und streichelte sie mit besorgtem Blick.
»Es wird schon alles gut, ich werde immer für dich da sein.«
Super. Besser konnte es nicht laufen. »Ich für dich auch«, gab ich mit einem gekonnt bemühten Lächeln zurück.
Inzwischen hat der
Mönch seine Speisen
zu Ende ausgeteilt, der
Wind hat über die Blätter der Seerose gestrichen
, auch der
Yin-und-Yang-Kreis
hat sich sowohl links herum als auchrechts herum gedreht. Wir sind bei der nächsten Übung angelangt.
»Stellt euch ein ruhiges Meer vor«, sagt Verena. »Sonnenschein, blaues Wasser, leichte Dünung, Urlaub, Erholung und Wohlfühlen. Ein wenig Fitness gehört natürlich auch dazu, darum werden wir jetzt
über das Meer rudern
.« Sie bildet neben den Hüften Hohlfäuste, zieht sie seitlich bis in Schulterhöhe nach oben und bis vor die Brust, löst die Finger, geht mit den offenen Händen nach unten zurück, wo sie die imaginären Ruder wieder umschließt und zurück nach oben zieht.
Diese Übung kommt mir wie eine sehr gute Studie meiner Beziehung zu Anne vor. Ich bin der Ruderer, der versucht, Anne aus dem Manni-Sumpf herauszuziehen, doch bislang kämpfe ich gegen den Sog an. Sechsunddreißigmal rudere ich heute und bin doch in den vergangenen fünfzehn Jahren, in denen Anne mit Manni verheiratet ist, so unzählig oft mit ihr ins Ruderboot gestiegen, nur um festzustellen, dass – sobald wir ans andere Ufer kamen – Manni schon längst da war.
»Zweiunddreißig, dreiunddreißig, vierunddreißig.… Und nun wollen wir
die Schriftrolle drehen
«, Verena hält beide Hände vor der Brust und dreht sie so, als würde sie Wolle aufwickeln. Die Bewegung ist mir vertraut, das hab ich mit meiner Oma früher oft gemacht, wenn sie alte, zu klein gewordene Pullover meines Bruders oder von mir aufgeribbelt hat. Dann musste ich dabeistehen und die Wolle neu aufrollen. Damit es beim Stricken einfacher war. Ist also keine schwere Übung, das mach ich sozusagen im Halbschlaf.
Geschlafen hatte ich kaum in der Nacht bei Anne und Manni, bevor wir am nächsten Morgen hierher aufgebrochen sind. Ich übernachtete im Gästezimmer, das liegt gleichneben dem Schlafzimmer. Ich weiß nicht, ob Manni eine Ahnung davon hat, dass die Wände seiner Wohnung nicht wirklich schalldicht sind. Ich würde ihm auch zutrauen, dass er absichtlich einen auf wilden Stier markierte. Annes Winseln während des Aktes ließ mich sofort zu meinem Walkman greifen. Höchste Lautstärke beim ABBA Song ›Mamma Mia‹. Nur so war das auszuhalten, denn zu Wut und Mitleid für Anne kam noch der Ekel.
Der Mönch ist immer noch aktiv, nun lassen wir ihn über das Wasser gleiten. Wieder sind die Handflächen vor der Brust nach unten gerichtet und liegen übereinander, aber die Arme werden nach links und rechts geschaukelt, als hätte man ein Baby im Arm. Ich hab das nie mit einem eigenen Baby gemacht. Nicht machen können, hat sich irgendwie nie ergeben. Ist auch okay. Gibt Schlimmeres, als kinderlos zu sein, ich hab viele Familien gesehen, in denen es schiefging mit dem Wunsch nach heiler Familienwelt. Die Kinderlosigkeit hab ich mit Anne gemeinsam, und ich hör ihr natürlich zu, wenn sie immer mal wieder darüber klagt, wie gern sie doch zumindest ein Kind adoptiert hätte, aber Manni habe ja nicht gewollt. Logisch wollte der nicht.
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