So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)
nicht weiter ausbreiten können.
Der Tumor in der Lunge ist jedenfalls ein Adenokarzinom, so viel ist sicher. Das ist ein typischer Nichtrauchertumor, was auch passt, weil ich ja seit zwanzig Jahren nicht mehr rauche. Kleinzellig ist der Krebs wohl nicht, weil der schneller streuen würde.Aber das Plattenepithel kommt auch vor in der Struktur meines Tumors. Wenn ich das richtig verstehe, habe ich eigentlich ein Sammelsurium an Krebszellen. Was ja auch wieder völlig abstrus ist. Entweder alles oder gar nix. Ob mich das jetzt heiter stimmt, weiß ich noch nicht genau. Ich warte erst mal ab. Das Ergebnis der Histologie sollte ja heute schon kommen. Ist aber nicht gekommen. Kaiser hatte aber schon vor zwei Tagen angedeutet, es könne auch bis Dienstag dauern. Es ist wahrscheinlich nicht so unkompliziert. Das heißt, sie suchen und finden wahrscheinlich ein Wirrwarr von Krebszellen. Und sagen dann wahrscheinlich unisono: So einen Wirrwarr an Krebszellen haben wir noch nie gesehen.
Ich habe hier inzwischen ja viele sehr, sehr nette Schwestern und Ärzte kennengelernt. Der Wichtigste für mich ist natürlich Professor Kaiser. Die Entscheidung, mich von ihm operieren zu lassen, war die beste, die ich treffen konnte. Er ist für mich im Moment der Maßstab aller Dinge. Nicht obwohl, sondern weil wir ein schwieriges Zusammenkommen hatten. Das war ja nicht ganz so leicht am Anfang.Aber ich habe mich für ihn entschieden und ich bin bis jetzt nicht dafür bestraft worden. Im Gegenteil: Ich bin belohnt worden. Der Mann hat wirklich mit vollem Einsatz das Beste rausgeholt, was überhaupt rauszuholen ist. Und man merkt ihm eine echte Freude darüber an, dass ich schon so mobil bin. Auch von ihm empfange ich Funken von Wärme und Liebe. Also, man kann eigentlich nur dankbar sein.
Und ich gehe jetzt mal davon aus, dass wir alles schön der Reihe nach abhandeln. Ich mache auch brav mit, das habe ich schon gezeigt. Sicherlich werden mich die Chemo und die Bestrahlungen schwächen. Aber ich bin da gerade nicht so pessimistisch. Mit Aino und mit einer guten Portion von Streicheleinheiten kann ich mir vorstellen, dass man in den nächsten Monaten auch schöne Momente erleben kann.
Inzwischen sind ein paar Stunden vergangen und meine Stimmung ist wieder im Keller. Ach, ich weiß auch nicht, es ist ein ständiges Hin und Her, ein Auf und Ab. Vorhin war ich noch so optimistisch, jetzt erstarre ich wieder vor Schreck, wenn ich an die Zukunft denke. Denn natürlich steht permanent die Frage im Raum, was noch für Teilchen in meinem Blut sind und was die da jetzt machen. Ob da neuer Krebs kommt. Aber darüber soll man nicht nachdenken, sagen alle. Sagen, dass man daran nicht denken darf, weil man dann in den Fatalismus rutscht. Aber das macht die Sache so unfrei. Wenn ich nicht darüber nachdenke, dann ist das vielleicht besser, aber dann setze ich mich ja nicht mit diesem Gegenstand, mit diesem Zustand auseinander. Der ist doch jetzt Bestandteil meiner Welt, mit dem ich leben lernen muss. Das ist doch nun mal die Krux an dieser Krankheit, dass man mit ihr leben lernen muss.
Daher sind die Gespräche mit den Ärzten, besonders mit Professor Kaiser, für mich gerade wichtig, glaube ich. Weil es mir manchmal so vorkommt, dass ich nur mit ihnen offen reden kann. Weil sie nicht gleich abwiegeln, wenn ich danach frage, was da noch kommen kann, ob da noch irgendwelche Zellen rumgondeln können. Es geht nicht darum, mir irgendwelche Horrorszenarien auszumalen, aber ich brauche jemanden, mit dem ich glaubhaft und ehrlich darüber reden kann, was das demnächst für ein Leben sein wird. Ich will natürlich nicht jemanden, der mir sagt, also, passen Sie auf, in einem halben Jahr haben Sie keine Haare mehr, und in einem Jahr werden wir den nächsten Tumor bei Ihnen feststellen, dann werden wir das und das tun, und in zwei Jahren sind Sie dann am Ende. Um diese Art von Wahrheit geht es nicht. Um diese Art von Sprechen geht es nicht. Aber es geht darum, mir aus dieser Verzweiflungsstarre rauszuhelfen und meine Ängste ernst zu nehmen. Und ich habe Angst davor, das weiß ich. Ich habe Angst, dass da noch was rumkreucht und nicht auszumerzen ist. Ich habe auch Angst, dass dieser Krebs hier jetzt zwar weg ist, aber dass irgendwann ein anderer Krebs auftaucht, dass ich also eine Veranlagung habe und mein Immunsystem nicht in der Lage ist, diese Zellen zu erkennen und zu fressen. Ich kann mir schon gut vorstellen, dass ich gar nicht mehr so lange hier auf
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