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So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)

So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)

Titel: So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Schlingensief
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jetzt mehr bedeutet als jemals zuvor. Das Normalste ist das Schönste. Natürlich wussten manche Leute das immer schon, die haben wahrscheinlich nie in den Tag hineingelebt. Aber deswegen muss ich mir ja nicht schon wieder einen Vorwurf machen, ist doch Quatsch. Gibt immer Ausnahmen. Gibt eben Menschen, die das Leben von Anfang an Detail für Detail, fast versessen, beobachtet und geliebt haben und darin aufgegangen sind. Das ist toll, aber ich bin nun mal ein bisschen anders. Ich konnte eben früher die kleinen Dinge nicht so genießen, habe zum Beispiel die Schönheit der Natur nicht richtig wahrnehmen können. Das ist schade, okay, aber ich bin damit, glaube ich, nicht alleine.
    Gerade zurzeit merke ich, wie viele Leute hektisch und geschäftsmäßig auf die Welt gucken, so, als sei alles ganz selbstverständlich nur für ihre Rumraserei da. Wenn ich im Augenblick so jemanden treffe, denke ich manchmal: Wie sehen die denn aus? Das ist auch auffällig, ich schaue den Leuten viel länger ins Gesicht als früher. Und ich verstehe bei manchen Menschen nicht mehr, wie die aussehen. Nicht ihr Gesicht, sondern ihre Kleidung. Das Gesicht erzählt mir teilweise etwas anderes. Aber ich frage mich: Was ist denn mit deren Kleidung passiert? Waren die im falschen Kostümfundus? Irgendwas passt da nicht.Vor Kurzem dachte ich wirklich, ich müsse aufpassen, dass den Leuten die Klamotten nicht runterfallen. Ich müsse schnell hin, um die Jacke von dem Typen da festzuhalten oder bei der Frau das Hemd. Es kam mir so vor, als seien die Kleider an den Menschen nicht richtig befestigt, als würden sie gleich runterfallen und ich müsste ihnen diese peinliche Situation ersparen. Das war in dem Moment für mich ganz real und ich habe mich richtig erschrocken. Kann ich Gott sei Dank jetzt schon wieder drüber lachen. Wie die Leute sich anziehen, ist natürlich ihre Sache, aber manche Dinge wirken eben jetzt anders. Dass sich da irgendwas in meinem Blick auf die Menschen verändert, ist schon merkwürdig, aber auch wichtig.
    Ich werde mich bestimmt demnächst auch mehr damit beschäftigen, was anderen Leuten alles zustößt. Es passiert doch täglich so viel, aber wir sind gar nicht mehr in der Lage, das einfach mal als Tatsache anzuerkennen, ohne gleich die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen und zu lamentieren, oh, wie schrecklich, der Arme, was für ein Horror.Wir müssen doch wieder lernen, dass das normal ist, dass das zum Leben dazugehört. Wenn es um Krankheit oder Tod geht, dann hört man immer nur von Sensationen, außerordentlichen Unfällen, wahrscheinlich noch inklusive Bestrafungskaffeesatz. Unter dem Motto: Das geschah dem bestimmt recht.
    Aber man muss doch mit den Leuten ins Gespräch kommen. Wie kommen Leute ins Gespräch, die krank sind? Oder die, die sich ernsthaft Gedanken darüber machen, wie sie demnächst ihre Eltern versorgen sollen? Oder die, die um ihr Kind trauern? Sie wurschteln alle alleine vor sich hin, ja, danke der Nachfrage, geht schon, ich schaff das schon. Sie wissen, dass im Kern niemand wirklich wissen will, wie es ihnen geht. Da muss man doch neue Wege finden, um Erfahrungen zu teilen. Auch zwischen Kranken und Gesunden. Mit anderen diese Dinge zu teilen – darum muss es gehen.
    Aber vielleicht gibt es noch ein anderes Teilen: In sich selbst etwas teilen zu müssen, um überleben zu können. So habe ich die Sache noch gar nicht gesehen. Das heißt: Ich habe nur noch die rechte Hälfte meiner Lunge, links ist alles weg. Ich habe also etwas teilen müssen, damit ich überhaupt überlebe. Das ist etwas anderes, als zu sagen, ich gebe dir die Hälfte meines Mantels. Dieses Teilen kann auch zum Tode führen. Der, der teilt, den Mantel abgibt, kann in derselben Nacht noch erfrieren, weil er an die doppelte Mantelmasse gewöhnt war. Der andere, der kann auch erfrieren, weil er zwar jetzt eine Mantelmasse mehr hat als vorher, aber sie reicht vielleicht immer noch nicht, um ihn und seine Kinder zu schützen. Aber was ist, wenn ich in mir etwas teilen muss, um weiterleben zu können? Man redet ja auch von Zellteilung, die findet im Körper ununterbrochen statt und ist notwendig, damit das Leben weitergehen kann. Aber es gibt eben auch Zellen, die sich falsch herum teilen, oder zu oft, oder eben nicht mit der Information wie die umliegenden Zellverbände, was weiß ich. Dann redet man ja von einer Tumorzelle oder von einem Karzinom, von einem Ding, das nicht in den Körper gehört. Das heißt, auch die

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