So sinnlich kann die Liebe sein
Er war mit ihr in jedem der Räume gewesen, und das konnte sie nicht vergessen. Und im Schlafzimmer, wo sie sich geliebt hatten, fand sie überhaupt keine Ruhe mehr.
Sie hatte damit gerechnet, in ihrer Wohnung weniger an ihn denken zu müssen, aber das war nicht der Fall. Jetzt quälte sie die Ta tsache, dass sie sich örtlich nah waren - er wohnte nur ein paar Straßen von ihr entfernt -, und ihre Sehnsucht nach ihm wuchs.
Aber natürlich konnte sie nicht zu ihm gehen. Hätte sie das getan, hätte es bedeutet, sie gäbe nach und wäre mit einer rein sexuellen Beziehung zufrieden.
Nur eines war möglich.
Wenn er ohne sie unglücklich war, so lag es an ihm ... aber sie wusste nicht mal, ob er unglücklich war. Möglicherweise war er längst zu seinem alten Lebensstil zurückgekehrt und hatte sie vergessen.
Wenn er zu ihr käme, dann ...
Sie wünschte sich ihn herbei und sandte ihm geistige Botschaften. Bitte komm.
Stell fest, dass du nicht ohne mich leben kannst, und entscheide dich für eine feste Beziehung.
„Ich glaube es nicht", meinte Jake und schüttelte resigniert den Kopf.
Die Brünette lächelte. Er konnte an ihren Augen ablesen, dass ihr gefiel, was sie sah. „Was glauben Sie nicht?"
„Patchouli", meinte er.
Sie hob fragend eine Braue.
„Sie benutzen Patchouli."
„Und?"
Er hob die Schultern. „Immer wenn ich das Gefühl habe, eine Frau hat etwas Besonderes an sich", erwiderte er und schaute ihr tief in die Augen, „... dann stellte sich heraus, dass sie Patchouli benutzt."
„Wirklich?"
Er bejahte, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. „Warum ist das so?"
Er wollte wieder sein altes Leben führen. Nach seiner Unterhaltung mit Brad war es wie eine Herausforderung für ihn. Und nach seinem Streit mit Bel war er einfach zu allem bereit.
„Ich weiß nicht. Man sagt, Motten können ihre Partner über eine Entfernung von Hunderten von Kilometern riechen. Vielleicht sind Sie mit einer Motte verwandt", meinte die Brünette.
Jake lachte. Diese Bemerkung hätte auch von Bel stammen können. Eine nüchterne Weigerung, seine Bemerkung persönlich zu nehmen und sich auf seine Taktik einzulassen. Bel war so nüchtern, und doch ... Jake hielt inne. Er wollte nicht an sie denken.
Bel fühlte sich verloren wie ein Schiff, das einen sicheren Hafen sucht und stattdessen durch einen Kanal aufs offene, stürmische Meer gerät.
Liebe war das einzig Sichere in der Welt. Sie hatte immer geglaubt, dass sie, wenn sie die Liebe finden würde, geborgen und sicher wäre. Nun, sie hatte die Liebe gefunden, aber sie bedeutete nicht Geborgenheit und Sicherheit für sie.
Vielmehr barg sie Gefahren, Kummer, Risiko und Leid.
Aber wenn die Liebe keine Sicherheit bot, was war dann noch sicher im Leben?
Orientierungslos irrte sie auf dem stürmischen Meer herum, kein Licht war da, ihr den Weg zu weisen, kein Land in Sicht.
Manchmal glaubte sie, dass sie nie wieder glücklich werden würde. Die Nächte waren am schlimmsten. Dann war sie allein, und nichts lenkte sie von ihrem Kummer ab. Meistens lief sie in ihrer Wohnung auf und ab, schlang ihre Arme um sich und musste sich zurückhalten, Jake anzurufen.
Als sie noch bei Brad und Tallia wohnte, war es einfacher für sie gewesen. Dort war sie, wenn sie nachts nicht schlafen konnte, durch den Garten gegangen und hatte zur Stadt hinübergeschaut, wo Jake war, oder hatte sich den Sternenhimmel angesehen, der ihr zeigte, wie unbedeutend ihr Problem im Vergleich zur Größe des Universums war.
Das schenkte ihr wenigstens etwas Trost.
Doch hier in ihrer Wohnung konnte sie nur aus dem Fenster gucken und auf eine nasse, dunkle Straße starren oder auf das Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Weite des Himmels und die Sterne waren ihrem Blick entzogen.
Gern wäre sie nach draußen gegangen, hätte sich den Wind durchs Haar wehen lassen und den Regen auf ihrer Haut gefühlt, aber natürlich war sie nicht so dumm, um diese späte Stunde allein durch die Straßen zu laufen.
Warum kam er nicht? Wie konnte er die Trennung ertragen? Für sie war es unbegreiflich. „Jake", flüsterte sie unter Tränen und nahm ihre ruhelose Wanderung wieder auf. „Jake, bitte, bitte komm zu mir."
„Sind Sie Insektenkundlerin?"
Eine eiserne Anmachregel von Jake lautete: Tu immer so, als dächtest du, deine Flirtpartnerin habe einen angesehen, soliden Beruf. Das schmeichelt den Frauen, die keinen tollen Beruf haben, aber auch denen, die einen haben.
Die Brünette lachte.
Weitere Kostenlose Bücher