So sinnlich wie dein Kuss
zurückgekehrt und sogar bei ihm eingezogen sind, haben alle über uns getuschelt.“
„Wie ist das genau gekommen?“, fragte Judd und lehnte sich an den Schreibtisch, auf dem er sie gerade noch geliebt hatte. Die kleinste Erinnerung an das, was sie eben getan hatten, reichte, um seine Lust erneut anzufachen.
„Es war eine ganze Kette von Ereignissen“, sagte Anna. „Zum Teil haben meine Eltern falsche finanzielle Entscheidungen getroffen, zum Teil hatten sie auch Pech. Dad kam bei der Arbeit ums Leben. Er war auf dem Weg zu einem Verkaufsgespräch, als ein Lastwagen gegen einen Brückenpfeiler gerast ist. Daddy konnte nicht rechtzeitig bremsen. Er war sofort tot. Von einem Moment zum anderen wurde Mom von einer glücklichen Hausfrau zu einer alleinerziehenden Mutter ohne festes Einkommen.“
Anna seufzte. „Sie musste die Begräbnisrechnungen begleichen, und die Zahlung der Lebensversicherung ließ auf sich warten. Charles hat ihr geholfen, und als er gesehen hat, in welch misslicher Lage wir uns befanden, bot er ihr Arbeit und ein Zuhause für uns an. Ich war damals erst fünf, aber ich erinnere mich, wie groß mir das Haus vorgekommen ist. Und wie sehr ich mich über meine neue Spielkameradin gefreut habe.“
„Das heißt, Nicole und du, ihr seid zusammen aufgewachsen?“
„Ja. Wir waren wie Schwestern. Charles hat mich sogar in dieselbe Schule geschickt wie sie. Er hat so viel für mich und Mom getan. Ohne ihn wären wir verloren gewesen.“
„Deine Mom und er … Standen sie sich nahe?“
„Du meinst, ob sie eine Affäre hatten?“, fragte sie freiheraus. „Nur gelegentlich, soweit ich das verstanden habe. Einmal, als ich in der Schule Gerüchte aufgeschnappt hatte, habe ich Mom darauf angesprochen. Sie hat sich große Mühe gegeben, ehrlich zu mir zu sein. Daher weiß ich, dass die beiden eher eine Art Kameradschaft verband. Sie war sehr offen mir gegenüber, vielleicht sogar zu offen, wenn man bedenkt, dass ich noch ein Kind war … Sie hat mir nämlich auch erzählt, dass Charles in Folge seiner Diabeteserkrankung ständig mit Potenzproblemen zu kämpfen hatte. Möglicherweise schon, bevor du mit deiner Mutter nach Australien gegangen bist. Und trotz ihrer Verbindung und bei aller Nähe ist Mom stets seine Angestellte geblieben und hat sich auch so behandeln lassen. Heute weiß ich, dass sie das nur getan hat, um mir ein sicheres Zuhause zu bieten.“
„Und … Du und er?“
„Ja. Was?“
„Wart nie ein Paar?“
Entsetzt sah sie ihn an. „Nein! Natürlich nicht! Wie kommst du nur auf diese Idee? Er war immer wie ein Vater zu mir.“
„Aber ich habe dich halb nackt aus seinem Zimmer kommen sehen …“
„Ich habe auf ihn gewartet, um mit ihm über Nicole zu reden. Da bin ich auf seinem Sofa eingeschlafen. Als ich aufwachte und merkte, wie spät es ist, lief ich schnell in mein Zimmer zurück, um zu duschen und mich für das Dinner umzuziehen. Deshalb hatte ich meine Bluse schon aufgeknöpft. Schließlich konnte ich nicht ahnen, dass du vor der Tür lauerst …“
Sie stockte und sah ihn wütend an. „Ich kann einfach nicht glauben, dass du so über mich denkst!“
Sie ging zur Bürotür und sperrte sie auf. „Ich mache mich etwas frisch. Und danach findest du mich in meinem Büro.“
Judd fühlte sich vor Erleichterung regelrecht schwindlig. Sie war nicht Charles’ Geliebte! Sie hing an dem alten Mann wie eine Tochter.
Aber wie sehr musste er sie mit dieser Vermutung verletzt haben! Es tat ihm unendlich leid.
„Anna?“
Sie zögerte. „Ja?“
„Entschuldige bitte. Ich habe voreilig die falschen Schlüsse gezogen. Lass es mich wiedergutmachen. Bitte komm heute Nacht zu mir.“
Doch sie schüttelte energisch den Kopf. „Nein, denk von mir, was du willst. Aber das würde ich Charles nie antun.“ Ohne ein weiteres Wort stieß sie die Tür auf und ging.
Judd sah ihr nach, dann ordnete er die Unterlagen auf seinem Schreibtisch. Auch wenn sie seine Entschuldigung nicht ausdrücklich angenommen hatte, würde sie sich hoffentlich wieder beruhigen.
Es war an der Zeit, seine Strategie zu überdenken. Anna, Charles … vielleicht verdienten sie mehr Respekt, mehr Vertrauen? In einem Punkt war er sich jedenfalls sicher: Er wollte Anna Garrick, egal welche Folgen das hatte.
Den Rest des Bürotages konnte Anna sich kaum konzentrieren. War es ihr vorbestimmt, wie ihre Mutter zu werden? Empfand sie für Judd wie Donna für Charles? Brauchten die Männer dieser Familie nur mit
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