So sinnlich wie dein Kuss
stand seiner Schwester näher als er selbst, was er plötzlich sehr bedauerte.
Er musste herausbekommen, was die beiden Frauen vorhatten.
Die Fahrt nach Mission Bay dauerte nicht lang, und glücklicherweise fand er sofort einen Parkplatz am Strand.
Während er zum Restaurant ging, das in der E-Mail erwähnt war, kam er an Annas geparktem Auto vorbei. Er überlegte, ob er hier auf sie warten und sie zur Rede stellen sollte, aber vielleicht war es klüger, unauffällig mehr herauszufinden.
Er betrat das Restaurant. Als sich seine Augen auf das im Vergleich zu draußen schwächere Licht eingestellt hatten, sah er Nicole und Anna in einer Nische sitzen, noch ehe sie ihn bemerkten. Er ließ sich vom Kellner einen Tisch in einiger Entfernung geben.
„Ich habe uns schon etwas bestellt“, sagte Nicole.
„Danke.“
„Jetzt schau doch nicht so, Anna.“
„Wie denn?“
„Als wüsstest du nicht, ob du von mir Gutes oder Böses zu erwarten hast“, antwortete Nicole.
„Na ja … So glücklich ist unsere letzte Begegnung nun nicht gerade verlaufen“, sagte Anna und lächelte schwach.
Auch Nicole lächelte. Über den Tisch hinweg drückte sie Anna die Hand.
Sie entspannte sich. Das war die Freundin, wie sie sie kannte. Irgendwie würden sie alles aus der Welt schaffen.
Als der Kellner den Salat serviert hatte, fragte Anna: „Also, wie geht es dir wirklich?“
„Ganz gut. Nur die Dinge sind im Augenblick etwas … kompliziert.“
„Das glaube ich gern. Warum um alles in der Welt arbeitest du für Nate Hunter? Dein Vater ist außer sich.“
„Das nervt ihn, stimmt’s?“, fragte Nicole frech. Aber dann wurde sie sofort wieder ernst.
„Kann man so sagen.“
„Wie geht es ihm? Ich habe gehört, er sieht gar nicht gut aus. Ich mache mir Sorgen um ihn, aber ich kann ihn nicht einfach anrufen und fragen, wie es ihm geht.“
„Ihm geht’s so weit gut, nur hat ihm die ganze Aufregung etwas zugesetzt. Aber auch wenn du es vermutlich nicht gern hörst: Judd kümmert sich sehr gut um alles.“
„Kann ich mir vorstellen. Der Musterknabe. Obwohl ich im Gegensatz zu Judd immer da war, konnte ich in Dads Augen nie mit ihm mithalten.“
„Dein Vater liebt dich, Nicole.“
„Ich weiß, aber ich konnte nie die Lücke füllen, die Judd hinterlassen hat. Jetzt ist der verlorene Sohn zurückgekehrt und deshalb muss ich das Feld räumen.“
Anna gab es einen Stich im Herzen. Nein, sie war sicher, dass das nicht stimmte. Charles liebte seine beiden Kinder, nur konnte er es im Fall seiner Tochter nicht so richtig zeigen. Durchaus verständlich, dass sich Nicole dadurch gekränkt fühlte.
„Heißt das, du kommst nicht wieder?“
Nicole sah sie erschrocken an. „Ich … ich kann nicht.“
„Wie meinst du das? Natürlich kannst du! Bei uns hast du dein Zuhause und deine Karriere. Bitte komm zurück!“
„Nein, so einfach ist das nicht. Nicht mehr.“
„Warum denn nicht? Was ist los?“
Nicole schüttelte den Kopf. „Ich kann jetzt darüber nicht sprechen. Später vielleicht. Ich wollte dich nur sehen und dich um Entschuldigung bitten für das, was ich gesagt habe. Es war nicht richtig, dass ich dir die Schuld in die Schuhe geschoben habe. Es tut mir leid.“
„Also ist alles wieder gut?“
„Ja. Du hast mir so gefehlt.“
„Du mir auch.“
Während sie ihre Salate aßen, unterhielten sie sich über alles Mögliche – nur nicht über die Arbeit oder über Männer. Aus irgendeinem Grund wollte Nicole nicht über Nate Hunter reden, und auch Anna vermied es, über ihre Gefühle für Judd zu sprechen. Also blieben sie bei allgemeineren Themen.
Gegen Ende ihrer Mittagspause fühlte sich Anna sehr viel besser.
„Ich bin so froh, dass du mir eine E-Mail geschickt hast“, sagte sie.
„Und ich bin froh, dass du noch mit mir redest. Eigentlich habe ich das gar nicht verdient“, entgegnete Nicole.
„Doch, hast du, natürlich! Die Rechnung übernehme ich. Nächstes Mal bist du wieder dran.“
„Sicher?“
„Dass es ein nächstes Mal gibt? Aber klar!“
Nicole lachte. „Nein, das meine ich nicht.“
Anna fühlte sich sehr erleichtert, dass alle Spannungen zwischen ihnen ausgeräumt waren. Lächelnd sah sie der Freundin nach, wie sie das Lokal verließ. Dann ging sie zur Kassiererin, um die Rechnung zu begleichen. Aber zu ihrer Überraschung erfuhr sie, dass schon alles bezahlt war.
„Das muss ein Irrtum sein!“
„Nein, ist es nicht“, sagte hinter ihr eine vertraute männliche Stimme.
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