So sinnlich wie dein Kuss
an. „Aber warum hast du ihn belogen, Mutter? Wieso hast du zugelassen, dass er uns wegbringt? War es nötig, ihn so sehr zu verletzen?“
„Wir haben uns auseinandergelebt. Nachdem Nicole zur Welt gekommen war, hat er jedes Interesse an mir als Frau verloren. Erst hat er Überstunden gemacht und wollte mich nicht stören, und dann hatte er immer neue Entschuldigungen parat, bis wir schließlich getrennt schliefen.“
Judd kannte seine Mutter und konnte sich lebhaft vorstellen, wie sehr ihr Selbstvertrauen darunter gelitten haben musste. Obwohl sie nach außen hin als starke Frau erschien, war sie insgeheim doch sehr verletzlich.
„Aber warum hast du ihm das mit Thomas Jackson vorgemacht?“
„Du weißt von Thomas?“
„Ja, aber nur das, was Charles mir erzählt hat. Jetzt möchte ich deine Sicht der Dinge hören. Aber die Wahrheit diesmal!“
Unruhig ging Cynthia im Zimmer auf und ab. „Du kannst dir die Situation damals nicht vorstellen. Charles war so ein umwerfender Mann, als er uns auf The Masters besucht hat. Und er war auf Anhieb von mir begeistert. Der Altersunterschied hat mich nicht gestört. Charles … er versprach, mir jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Und er hat mir das hier versprochen.“ Sie machte eine ausholende Geste und schlang dann die Arme um sich. „Erst hat er mir das Gefühl gegeben, die ganze Welt würde sich um mich drehen. Aber dann hat er sich von mir zurückgezogen.“
Sie seufzte. „Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Er war mein Ein und Alles, und plötzlich wollte er mich nicht mehr. Also wollte ich ihn eifersüchtig machen, damit er mich wieder begehrenswert fand.“
„Und dafür hast du dir seinen besten Freund ausgesucht? Was hast du dir dabei nur gedacht?“
„Nicht viel, das ist mir heute klar. Thomas hat die wachsende Entfremdung zwischen Charles und mir mitbekommen. Weil er uns beide mochte, hat er versucht, uns in dieser schwierigen Zeit so gut es ging zu helfen. Und ich habe seine Freundschaft schamlos ausgenutzt, um Charles zu verletzen. Ich habe damals nicht begriffen, wie sehr ich uns allen damit schade. Als Charles damit gedroht hat, mich allein nach Australien zurückzuschicken, habe ich überreagiert. Ich wollte mit meiner Ehe und meinem Zuhause nicht auch noch dich und Nicole verlieren. Darum habe ich Charles vorgemacht, Thomas wäre mein Geliebter und dein Vater.“
Erschöpft ließ sie sich in einen Sessel sinken. Nach all den Jahren des Lügens hatte sie endlich die Wahrheit gesagt.
Judd wählte seine Worte sorgfältig. „Weißt du eigentlich, dass die beiden Männer nie wieder miteinander gesprochen haben? Obwohl Thomas ihn immer wieder eindringlich um ein Treffen gebeten hat, hat Charles sich geweigert, ihn wiederzusehen. Du hast ihre Freundschaft so gründlich zerstört, als ob du wirklich fremdgegangen wärst. Thomas hat die ganze Zeit seine Unschuld beteuert. Und jetzt ist er tot, ohne dass sich die beiden wieder versöhnt haben.“
Cynthia nickte und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
Bereute sie, was sie getan hatte? Oder spielte sie ihm nur etwas vor?
Aber plötzlich, als sie ihn ansah und seinen abschätzenden Blick bemerkte, zeigte sie ehrliche Reue.
„Es tut mir so leid. Ich war so wütend und enttäuscht, dass es mir leichter gefallen ist, an dieser Lüge festzuhalten, als die Wahrheit zu sagen. Und da Charles dich für Thomas’ Sohn hielt, konnte er es nicht erwarten, uns loszuwerden. Ich habe ihn an der Stelle verletzt, wo es am meisten wehtut, und er hat es mir heimgezahlt.“
„Trotzdem … du hättest es ihm jederzeit sagen können.“
„Konnte ich nicht. Ich wollte, dass er merkt, was es heißt, zurückgewiesen zu werden.“
„Er hat dich nie zurückgewiesen, Mutter.“
„Wie nennst du es dann, dass er sich von meinem Bett, ja von meinem ganzen Leben ferngehalten hat? Wenn das keine Zurückweisung war, was war es dann?“
Aufrecht und stolz stand sie vor ihm, aber Judd spürte, wie sehr sie nach all den Jahren noch immer darunter litt.
„Charles ist Diabetiker“, sagte er. „Damals war seine Krankheit noch nicht erkannt und folglich auch nicht behandelt worden. Er hatte keine Ahnung, woher seine plötzlichen Potenzprobleme kamen. Und er war zu stolz, um sich jemandem anzuvertrauen.“
Cynthia atmete scharf ein. „Du meinst, das hatte überhaupt nichts mit mir zu tun?“
Ihre Stimme brach, und echte Tränen liefen ihr über die Wangen.
Auch wenn sie immer noch eine Egoistin war –
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