So soll er sterben
gegen das System gekämpft. Atom-U-Boote in Faslane, das Atomkraftwerk in Torness, der US-Stützpunkt in Greenham Common… was auch immer, ich war dabei. Ob mein Telefon im Moment abgehört wird? Keine Ahnung. Ob es früher schon mal abgehört wurde? Bestimmt.«
Rebus betrachtete das Telefon. »Was dagegen, wenn ich…?« Er nahm den Hörer ab, ohne eine Antwort abzuwarten, drückte den grünen Knopf und lauschte. Dann drückte er auf die Gabel, ließ wieder los und drückte erneut. Sah sie an und schüttelte den Kopf, während er den Hörer auflegte.
»Und Sie meinen, Sie können das erkennen?«, fragte sie.
Er zuckte mit den Achseln. »Möglicherweise.«
»Sie glauben, ich übertreibe, stimmt’s?«
»Was nicht bedeuten würde, dass Sie nicht Ihre Gründe haben.«
»Ich wette, Sie haben auch schon Telefone abgehört. Während der Bergarbeiterstreiks vielleicht?«
»Wer verhört hier jetzt wen?«
»Das liegt daran, dass wir Feinde sind, schon vergessen?«
»Sind wir das?«
»Die meisten Ihrer Kollegen würden mich so sehen, ob ich nun eine Bomberjacke trage oder nicht.«
»Ich bin nicht wie die meisten meiner Kollegen.«
»Das stimmt wahrscheinlich. Sonst hätte ich Sie auch nie über meine Schwelle gelassen.«
»Und warum haben Sie? Um mir die Fotos zu zeigen, richtig?«
Sie nickte. »Ich wollte, dass Sie diese Menschen als Menschen sehen und nicht als Problem.« Sie zog sich den Rock vorne glatt und atmete tief durch, um das Thema zu wechseln. »Und wen werden wir mit unserer Anwesenheit beehren heute Abend?«
»Ich kenne da einen guten Italiener auf dem Leith Walk.« Er hielt inne. »Sie sind doch bestimmt Vegetarierin, oder?«
»Gott, Sie stecken wirklich voller Vorurteile. Aber dieses Mal haben Sie ausnahmsweise recht. Italiener ist also bestens: Pizza und Pasta.«
»Dann also los.«
Sie trat einen Schritt auf ihn zu. »Sie würden vielleicht seltener ins Fettnäpfchen treten, wenn Sie sich etwas entspannen könnten.«
»Das ist das Maximum an Entspannung, das ich ohne den Dämon Alkohol erreichen kann.«
Sie schob ihren Arm unter seinen. »Dann lassen Sie uns gehen und Ihre Dämonen suchen, John.«
»…und dann die drei Kurden, Sie haben das bestimmt im Fernsehen mitverfolgt, die sich aus Protest den Mund zugenäht haben. Ein anderer Asylbewerber hat sich die Augen zugenäht… die
Augen
, John… diese Menschen sind so verzweifelt, das kann sich keiner vorstellen. Die meisten sprechen kein Englisch, und teilweise sind sie aus den gefährlichsten Ländern der Welt geflüchtet – Irak, Somalia, Afghanistan… vor ein paar Jahren hatten die noch ganz gute Chancen, hier bleiben zu dürfen, aber heutzutage sind die Gesetze dermaßen streng… viele greifen auf völlig verzweifelte Maßnahmen zurück, zerreißen ihren Ausweis, weil sie glauben, dass sie dann nicht mehr nach Hause geschickt werden können. Aber stattdessen landen sie im Gefängnis oder auf der Straße… und inzwischen gibt es Politiker, die davon sprechen, dass wir schon zu viele Ausländer im Land haben… und ich… ich glaube einfach, dass es da eine Lösung geben muss.«
Endlich hielt sie inne, um Atem zu holen, und griff nach dem Weinglas, das Rebus soeben nachgefüllt hatte. Fleisch und Geflügel standen nicht auf Caro Quinns Speiseplan, Alkohol anscheinend schon. Sie hatte ihre Pizza mit Champignons erst zur Hälfte gegessen. Rebus, der seine Calzone bereits verputzt hatte, musste sich zurückhalten, um nicht über den Tisch zu greifen und sich von ihrem Teller zu bedienen.
»Ich war der Meinung«, sagte er, »dass Großbritannien mehr Flüchtlinge aufnimmt als irgendein anderes Land.«
»Das stimmt«, räumte sie ein.
»Sogar mehr als die Vereinigten Staaten?«
Sie nickte, das Weinglas an den Lippen. »Aber entscheidend ist doch, wie viele bleiben dürfen. Die Zahl der Flüchtlinge auf dieser Welt verdoppelt sich alle zwei Jahre, John. In Glasgow gibt es mehr Asylbewerber als in irgendeiner anderen Stadt in Großbritannien – mehr als in Wales und Nordirland zusammen. Und wissen Sie, was passiert ist?«
»Mehr Rassismus?«, vermutete Rebus.
»Mehr Rassismus. Rassistische Übergriffe werden immer häufiger, die Zahl ausländerfeindlicher Gewalttaten steigt jedes Jahr um fünfzig Prozent.« Sie schüttelte den Kopf, und ihre langen Silberohrringe gerieten ins Schwingen.
Rebus warf einen Blick auf die Flasche. Sie war zu drei Vierteln geleert. Die erste Flasche war ein Valpolicella gewesen, dieser hier ein
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