So soll er sterben
geschlossen, und Edmunds reckte schnüffelnd die Nase in die Luft.
»Hundert Prozent Gras«, sagte er. Rebus’ Mundwinkel zuckten.
Nachdem auch aufs zweite Klopfen hin niemand reagiert hatte, trat er gegen die gegenüberliegende Tür, sodass sie im Rahmen wackelte. Als sie schließlich geöffnet wurde, hatte er bereits seinen Dienstausweis gezückt. Er streckte die Hand aus und zog an den winzigen Hörsteckern, sodass sie herabfielen. Der junge Mann war noch keine zwanzig, trug armeegrüne Baggyhosen und ein eingelaufenes graues T-Shirt. Durch das kurz zuvor geöffnete Fenster wehte der Wind herein.
»Was ist los?«, fragte der Junge gedehnt.
»So wie’s aussieht, das Fenster.« Rebus durchquerte den Raum und streckte den Kopf aus dem Fenster. Aus dem Busch direkt unter ihm stieg eine kleine Rauchfahne auf. »Hoffentlich war nicht mehr allzu viel dran.«
»Allzu viel was?« Sein Tonfall klang nach Bildungsbürgertum, vermutlich stammte er aus einer der Grafschaften um London.
»Wie auch immer du es nennen möchtest – Gras, Marihuana…« Rebus lächelte. »Aber das Letzte, wozu ich jetzt Lust hätte, wäre die Treppen runterlaufen, den Joint suchen, eine DNA-Probe von der Spucke auf dem Papier machen lassen und wieder den weiten Weg hierher kommen, um dich zu verhaften.«
»Gras ist entkriminalisiert worden, noch nicht davon gehört?«
Rebus schüttelte den Kopf. »Nur runtergestuft – das ist ein Unterschied. Aber du hast immer noch das Recht, deine Eltern anzurufen – an dem Gesetz hat bisher noch keiner rumgepfuscht.« Er sah sich im Zimmer um: ein Bett, das zerknautschte Oberbett auf dem Fußboden davor, Bücherregale, auf dem Schreibtisch ein Notebook. Poster von Theaterstücken.
»Gehst du gern ins Theater?«, fragte Rebus.
»Bin selbst schon aufgetreten – in Studentenproduktionen.«
Rebus nickte. »Kennst du Kate?«
»Klar.« Der Junge schaltete das Gerät ab, an dem seine Kopfhörer hingen. Siobhan würde wissen, was es war, dachte Rebus, er hingegen konnte lediglich erkennen, dass es zu klein war, um CDs zu spielen.
»Hast du eine Ahnung, wo wir sie finden können?«
»Was hat sie getan?«
»Gar nichts, wir wollen nur mit ihr sprechen.«
»Sie ist nicht allzu oft hier… wahrscheinlich in der Bibliothek.«
»John…«, meldete sich Edmunds zu Wort. Er hielt die Tür auf, sodass man in den Flur sehen konnte. Eine junge, dunkelhäutige Frau, die dichten dunklen Locken zusammengebunden, schloss die Zimmertür auf und blickte dabei über die Schulter, um festzustellen, was im Zimmer ihres Nachbarn vor sich ging.
»Kate?«, fragte Rebus.
»Ja. Was wollen Sie?« Bei ihrer Aussprache war jede Silbe gleich stark betont.
»Ich bin Polizeibeamter, Kate.« Rebus war in den Flur getreten. Edmunds ließ die Tür zufallen, der Junge war damit entlassen. »Könnte ich kurz mit Ihnen sprechen?«
»Oh Gott, ist was mit meiner Familie?« Ihre großen Augen waren noch größer geworden. »Ist ihnen was zugestoßen?« Die Tasche glitt ihr von der Schulter auf den Fußboden.
»Es hat nichts mit Ihrer Familie zu tun«, versicherte Rebus.
»Was dann…? Ich verstehe nicht.«
Rebus griff sich in die Jackentasche, holte eine Kassette in einer durchsichtigen Plastikhülle hervor und schüttelte sie, sodass sie klapperte. »Haben Sie einen Kassettenrekorder?«, fragte er.
Als die Aufnahme zu Ende war, blickte sie ihn an.
»Warum spielen Sie mir das vor?«, fragte sie mit zittriger Stimme.
Rebus stand an den Kleiderschrank gelehnt da, die Hände hinter dem Rücken. Er hatte Andy Edmunds gebeten, draußen zu warten, was dem gar nicht gefiel. Zum einen hatte Rebus vermeiden wollen, dass er das Band hörte – schließlich ging es um polizeiliche Ermittlungen, und Edmunds war kein Polizist mehr, auch wenn er sich gern noch dafür hielt. Zum anderen – und so würde er sich Edmunds gegenüber rechtfertigen – war das Zimmer einfach zu klein. Rebus wollte die Angelegenheit für Kate nicht noch unangenehmer machen als nötig. Der Kassettenrekorder stand auf ihrem Schreibtisch. Rebus lehnte sich vor, drückte auf »Stop« und dann auf »Rewind«.
»Wollen Sie es noch mal hören?«
»Ich verstehe nicht, was Sie von mir wollen.«
»Wir glauben, dass sie aus dem Senegal stammt, die Frau auf dem Band.«
»Aus dem Senegal?« Kate schürzte die Lippen. »Gut möglich. Wer hat Ihnen das gesagt?«
»Jemand von der linguistischen Fakultät.« Rebus zog die Kassette aus dem Gerät. »Gibt es viele Senegalesen
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