So still die Toten
gehüllt, das ihn beunruhigte. Sie hatte Angst, und er hatte das Gefühl, dass sie mühsam um ihre Fassung kämpfte.
Dr. Henson tauchte am Ende des Ganges auf, bückte sich unter dem gelben Plastikband hindurch und kam auf Malcolm zu. Sie trug Jeans und Sweatshirt, beides mit taubenblauen Farbspritzern übersät. Ihr rotbraunes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden.
Als die Ärztin an Angie vorbeikam, blieb sie stehen. »Ms Carlson. Was führt Sie hierher?«
Angie straffte sich und ließ die Arme sinken. »Der Inhalt des Lagerraums hat meinem Vater gehört.«
Die Augenbrauen der Ärztin zogen sich zusammen. »Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, ist er vor ungefähr sieben Jahren gestorben.«
Angie nickte. »Sie haben ein gutes Gedächtnis.«
»Ich war einige Male in seinem Museum. Sehr interessant. Waren Sie als Kind oft dort?«
»Nein«, antwortete Angie. »Mein Vater wollte mich dort nicht haben.«
Dr. Henson kommentierte die Bemerkung nicht. »Dann lassen Sie mich mal sehen.« An der Tür zum Lagerraum streckte sie Malcolm die Hand entgegen. »Zwei Tatorte in einer Woche. Wir stellen hier einen neuen Rekord auf, Detective.«
Er schüttelte ihr die Hand. »Ja, so leid mir das tut. Von wo haben wir Sie weggeholt?« Malcolm wusste nicht recht, warum, aber in Angie Carlsons Interesse wollte er die düstere Stimmung ein wenig aufhellen.
»Ich habe gerade meine Bibliothek gestrichen.«
»Ich habe gehört, Sie sind umgezogen?«
»Stimmt.«
»Haben Sie viele Bücher?«
Dr. Henson zuckte die Schultern. »Zweitausend.«
»Wirklich?«
»Klar.«
»Bei jedem anderen würde ich sagen, das ist Quatsch, aber Ihnen glaube ich es, Doc. Zweitausend Bücher. Wahnsinn.«
Auf der Stirn der Pathologin bildete sich eine Falte. »Ich weiß nicht, was daran komisch ist. Jeder hat doch Bücher.«
Angie tauchte hinter ihr auf. »Ich wette, Detective Kier hat drei, und zwei davon sind Bilderbücher.«
Paulie Sommers prustete los.
Dr. Henson lächelte.
Malcolm ertrug die Stichelei. Es war schön zu sehen, dass Angie ihren alten Biss zurückgewann.
Die Ärztin ging an ihm vorbei in den Lagerraum, direkt zu der Kiste und blickte hinein.
Sie ging in die Hocke und betrachtete die Knochen nicht einmal eine Minute lang. »Detective Kier.«
Er kam näher. »Ja?«
»Das sind keine Menschenknochen.«
»Wie bitte?«
Sie kam hoch und zog die Handschuhe aus. »Ich würde sagen, das ist der Hinterfuß eines Bären.«
»Was?«
Paulie wieherte vor Lachen.
»Machen Sie sich nichts draus«, meinte die Ärztin gelassen. »So ohne Fleisch sieht er genauso aus wie eine menschliche Hand.«
Malcolm massierte sich den Nacken. »Mist.«
»Was ist mit den anderen Knochen?«, fragte Angie.
»Scheinen ebenfalls tierischer Herkunft zu sein.«
»Und wie kommen die hierher?«
»Soweit ich mich von meinen Ausflügen in das Museum erinnere, war Mr Talbot ein leidenschaftlicher Jäger. Wahrscheinlich ist das hier eine seiner Trophäen.«
Garrison erschien in der Tür des Lagerraums. Malcolm hatte ihm einige der Personalunterlagen des Museums und die Liste mit den Namen der Vorstandsmitglieder gefaxt. Es hatte ihn überrascht, dass Louise Cross für kurze Zeit dem Vorstand angehört hatte. »Du hast also Balu gefunden?«, witzelte Garrison.
»Seinen kleinen Bruder.« Vermutlich würde das nie aufhören. Malcolm hatte gelernt, die Sticheleien der anderen Cops von sich abperlen zu lassen. Je mehr er sich dagegen wehrte, desto weniger ließen sie locker, wie Haie, die Blut gerochen hatten. »Ist irgendjemand Interessantes dabei?«
Garrison winkte ihn auf den Gang hinaus. »Bis jetzt habe ich bei acht von den dreißig Personen angerufen, und sie sind alle entweder tot oder weggezogen. So langsam kommt es mir vor, als würde ich Geister jagen. Sinclair telefoniert gerade die letzten Namen ab.«
Malcolm warf einen Blick zu Angie hinüber und senkte die Stimme. »Was ist mit Louise Cross?«
Garrison zog ein Päckchen Kaugummi aus der Hosentasche. »Wenn sie im Vorstand war, muss sie alle wichtigen Leute gekannt haben. Aber sie und ihre beiden Söhne waren damals den ganzen Sommer über in Europa.«
»Aber sie kannte Blue, Frank und natürlich Darius. Ich würde wetten, dass sie auch Fay kannte.«
»Glaubst du wirklich, dass sie mit uns reden würde?«, fragte Garrison.
»Nein«, erwiderte Malcolm. »Aber mit Eva würde sie reden.«
»Das hatten wir doch schon. Ich werde Eva dieser Situation nicht
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