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So still die Toten

So still die Toten

Titel: So still die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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hatte ihr Medikamente vorgeschlagen, was sie jedoch kategorisch abgelehnt hatte. Nun, da sie kurz vor einer ausgewachsenen Panikattacke stand, fragte sie sich, ob sie die falsche Entscheidung getroffen hatte.
    Die Klingel an der Eingangstür ertönte. Erleichtert hörte sie Angie rufen: »Ich bin da! Alles okay? Die Tür war nicht abgeschlossen.«
    Charlotte war nicht allein. Es war alles wieder gut. Sie schlüpfte aus dem Mantel und strich sich mit den Händen über die Taille. »Ich bin hier. Mr Cross und ich wollten gerade die Verträge durchgehen.« Angie kam in Charlottes Büro. »Er ist hier? Habe ich mich in der Zeit vertan?«
    Charlotte schüttelte den Kopf. »Nein, er«, flüsterte sie. »Er hat mich erschreckt, deshalb habe ich vergessen, die Tür abzuschließen. Völlig bescheuert.«
    Angie umklammerte den Griff ihrer Aktentasche. »Sind Sie okay?«
    »Alles bestens. Und jetzt werde ich ein paar Verträge unterzeichnen.«
    »Schön.« Angie blickte sie forschend an. »Sind Sie auch wirklich in Ordnung?«
    »Ich fühle mich pudelwohl.«
    Sie gingen in den Konferenzraum, wo Micah, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, vor einem Bild stand und es betrachtete. Sie tauschten ein paar Floskeln aus, nahmen ihre Plätze um den Tisch herum ein und gingen die Verträge durch. Als sie kurz davor waren, zu unterschreiben, räusperte sich Angie.
    »Im Interesse einer vollständigen Offenlegung muss ich Ihnen mitteilen, dass die Polizei mich gebeten hat, Ihre Mutter am Montag in Statesville zu besuchen.«
    Micah lehnte sich zurück. »Meine Mutter? Warum? Hat sie Eva wieder Briefe geschrieben?«
    »Nein. Es hat mit einem Fall zu tun, der fast dreißig Jahre zurückliegt.« Sie erklärte, wo sie den größten Teil des Tages verbracht hatte.
    Charlottes mühsam aufrechterhaltene Selbstbeherrschung schwand, während sie Angie zuhörte.
Was soll das, zum Kuckuck?
    Von der seltsamen Erklärung sprang ihr Geist zu den Arbeitsstunden, die Angie am Montag verpassen würde, während sie sich auf dem Land amüsierte und Hilfsdetektiv spielte. Doch in Micahs Gegenwart sprach sie ihre Gedanken nicht aus.
    »Natürlich müssen Sie hinfahren«, sagte Micah. »Und lassen Sie es mich wissen, wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann.«
    Angie lächelte. »Danke.«
    Alles schien äußerst zivilisiert und normal, und doch wurde Charlotte das Gefühl nicht los, dass irgendetwas faul war. Auf der rationalen Ebene wusste sie, dass ihre Ängste auf ihr Trauma zurückgingen, doch emotional spürte sie eine Gefahr, die ihr ebenso real erschien wie der Wind, der draußen wehte, oder der Tisch und die Stühle im Konferenzraum.
    Als die Uhr Mitternacht schlug, stand er vom Bett auf und betrachtete seinen Todesengel.
    Beinahe zwanzig Stunden hatte er mit ihr verbracht. Zu viel Zeit. Er musste sie gehen lassen.
    Nun erwärmte er das Wasser auf dreiundvierzig Grad. Wenn es zu warm war, würde die Hitze die Knochen beschädigen und verfärben. War es zu kalt, dauerte die Ablösung des Fleisches zu lange.
    Und die Knochen sollten bald freigelegt und bereit zur Präsentation sein.
    Er kniete sich hin und hob die tote Frau an. Ihr lebloser Körper fühlte sich plump und steif an, als er sie hochhob und ins Wasser legte. Einen kurzen Moment lang trieb sie an der Oberfläche, dann sank sie ab, und ihr Gesicht verschwand langsam unter dem trüben Wasserspiegel. Das blonde Haar schwebte an der Oberfläche, als würde es sich am Licht festklammern, doch das Gewicht der Leiche zog es rasch nach unten.
    Er sah auf die Uhr. Es würde sechsunddreißig Stunden dauern, bevor das Fleisch sich weitgehend von den Knochen gelöst hatte. Er würde die Knochen bleichen, und dann würde er den perfekten Ort suchen, um sie zur Schau zu stellen.
    Er tauchte die Fingerspitzen ins Wasser und zog Kreise darin.
    Er wollte, dass Kier und Garrison sein Kunstwerk fanden und sich den Kopf darüber zerbrachen. Er wollte die Furcht und die Sorge miterleben, wenn alle sich fragten, ob es noch mehr Opfer geben würde.
    Und natürlich würde es noch mehr geben.
    Sorgfältig hatte er alle seine Spuren verwischt. Für den Ernstfall hatte er so viele Auswege ersonnen, dass niemand ihn je finden würde.
    Er hatte die Fesseln der Angst endgültig abgestreift.
    Niemand würde ihn jemals schnappen.
    Und er würde noch viele Jahre lang töten können.

21
    Montag, 10. Oktober, 9:00 Uhr
    Die Fahrt nach Süden zur Justizvollzugsanstalt dauerte knapp zwei Stunden. Kier saß am Steuer

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