So still die Toten
am Morgen.«
»Sind die Knochen vollzählig?«
Garrison schüttelte den Kopf. »Ein Oberschenkelknochen fehlt.«
Malcolm berichtete, was Louise über Darius’ Faszination für Knochen gesagt hatte. »Derjenige, der diese Frauen tötet, behält Knochen als Trophäen. Vielleicht stellt er daraus sogar irgendwelche Dinge her, die er mit sich herumträgt oder ausstellt.«
Garrison atmete hörbar aus. »Darius Cross ist tot.«
»Fays damaliger Freund muss über fünfzig sein.«
»Genau«, stimmte Garrison zu. »Wer auch immer dahintersteckt, muss sowohl damals als auch heute eine Rolle gespielt haben.«
»Oder er kennt jemanden, auf den das zutrifft.«
»So wie Angie Carlson?«
Malcolm schüttelte den Kopf. »Sie wirkte ziemlich erschüttert, als Louise ihr sagte, dass ihr Vater an der Beseitigung der Leiche beteiligt war.«
»Kann ich mir vorstellen.« Garrison schüttelte ebenfalls den Kopf. »Sie ist bei allen Opfern der einzige gemeinsame Nenner.«
»Wissen wir, um wen es sich hier handelt?«
»Ruf Lulu Sweets Mutter an und finde heraus, ob es Zahnarztunterlagen gibt. Ich würde wetten, dass wir Angies verschwundene Mandantin gefunden haben.«
Malcolm dachte an das pummelige Baby mit dem freundlichen Lächeln. »Mach ich.«
22
Dienstag, 11. Oktober, 6:00 Uhr
Das kühle Wasser im Schwimmbecken beruhigte Angies angegriffene Nerven nur wenig. Die ganze Nacht hatte sie sich im Bett herumgeworfen und an ihre Eltern gedacht: an den ernsten Vater, die lebenslustige Mutter und an ihre gescheiterte Ehe. Sie stellte sich vor, wie ihr Vater sich auf Darius Cross’ Forderungen eingelassen hatte. Konnte es wirklich sein, dass er bei der Beseitigung von Fays Leiche mitgeholfen hatte?
Ihr Vater hatte nie von seiner Arbeit im Museum und den grausigen Dingen gesprochen, die Darius von ihm verlangt hatte. War Fay die einzige Frau, die der alte Cross getötet, deren Knochen er von Fleisch befreit und zu einer Trophäe gemacht hatte?
Angie schwamm schneller und durchpflügte das Wasser, als könnte die Anstrengung alle Enttäuschung und Traurigkeit aus ihrem Körper vertreiben.
Als ihre Lungen nach Luft schrien, schwamm sie ans Ende der Bahn und hielt sich am Beckenrand fest. Ihre Muskeln brauchten Erholung. Sie nahm die Schwimmbrille ab und legte sie neben das Becken.
»Sie schlagen ja geradezu eine Schneise ins Wasser.«
Angie blickte zur benachbarten Bahn hinüber und erkannte den Schwimmer. Wie war noch gleich sein Name? Martin.
Sein dunkles Haar war tropfnass. »Wie geht’s? Sie wirken heute ein bisschen getrieben.«
Angie griff nach ihrer Schwimmbrille. »Ich hatte eine anstrengende Woche.«
Aus der Nähe sah sie, dass dieser Martin sehr blaue Augen hatte – geradezu spektakulär. Wahrscheinlich hatte er schon unzählige Bemerkungen darüber gehört, und sie wollte sich nicht in das Bataillon jener Frauen einreihen, die ihm vermutlich hinterherliefen. Hatte ihre Mutter einst in Blue Rayburns Augen geschaut und dasselbe Kribbeln gespürt?
»Ich habe Sie in den letzten beiden Tagen gar nicht hier gesehen«, sagte er. Er schwamm schneller als sie, selbst heute, und war kaum außer Atem.
»Manchmal kommt einem eben was dazwischen.«
Er lachte und entblößte ebenmäßige weiße Zähne. Allein schon seine Nähe weckte Angies Lebensgeister.
»Und was steht heute auf dem Plan?«
»Büroarbeit. Jede Menge.« Außer mit Eva sprach sie nie mit jemandem über ihre Arbeit. Donovan hatte ihr dieses Misstrauen eingepflanzt.
Martin stemmte sich mühelos aus dem Wasser und setzte sich auf den Beckenrand. »Nun, Angie, falls Sie sich je loseisen können, könnten wir ja mal zusammen einen Kaffee trinken gehen.«
»Danke, Martin. Mal sehen, wie es mit der Arbeit ist.«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Denken Sie daran, Angie, Arbeit gibt es immer. Aber die Momente, in denen man das Leben genießen kann, sind nicht so häufig.«
Ihr Name klang sexy, so wie er ihn aussprach. »Ich werd’s mir merken.«
Er stand auf und ging in Richtung Sauna. Sein Körperbau und die Art, wie er seine Badehose ausfüllte, gefielen ihr. Es war lange her, dass sie Sex gehabt hatte. Plötzlich wurde ihr diese Tatsache schmerzlich bewusst.
»Für einen so schmutzigen Blick würde man Sie auf dem halben Erdball verhaften.«
Kiers Stimme ließ sie zusammenfahren, und sie drehte sich zu ihm um. Unter seinen Augen lagen dunkle Schatten, und er trug die Kleidung vom Vortag.
Röte stieg ihr ins Gesicht. »So ein Blick war das gar
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