So still die Toten
Haar. »Was zum Teufel ist es?«
Der Anflug von Verzweiflung in seiner Stimme trieb ihr die Tränen in die Augen. Eine Träne rollte über ihre Wange, und sie wischte sie weg. »Ich habe Mist gebaut.«
Seltsamerweise erfüllte ihn das mit Hoffnung. Sie schien bereit, sich ihm zu öffnen. Er hätte Drachen für sie erschlagen, doch zuerst musste er wissen, um welche Drachen es ging. »Wobei hättest du Mist bauen können?«
»Ich hatte das nicht geplant.«
»Das sehe ich.« Seine Stimme klang sanfter.
Sie schloss die Augen, atmete tief ein und sah ihn an. »Ich bin schwanger.«
»Was?«
»Ich bin schwanger.«
»Liebling, das ist unmöglich.«
»Es ist sehr wohl möglich.« Ihre Wangen röteten sich.
Er runzelte die Stirn. »Wir haben gut aufgepasst, Eva.«
Seine Schwester war an Mukoviszidose, einer genetisch bedingten Krankheit, gestorben. Die Krankheit hatte seine Schwester während ihrer kurzen Lebensspanne furchtbar zugesetzt. Er erinnerte sich nur zu gut an all den Schmerz und das Leid und hatte geschworen, niemals ein eigenes Kind so etwas durchmachen zu lassen.
»Deswegen bin ich so lange nicht zur Ärztin gegangen. Ich dachte, es wäre eine Erkältung.« Sie stieß einen Seufzer aus. »Und als sie mir gesagt hat, dass ich ein Kind bekomme, habe ich noch einen zweiten Test machen lassen.«
»Du bist ganz sicher schwanger?«
»Ich hab doch gesagt, meine Ärztin hat den Test zweimal gemacht. Und vor ein paar Monaten war doch dieses eine Mal, wo wir nicht so vorsichtig waren.«
Garrison rieb sich das Kinn. Sie hatte recht. Es hatte da eine Nacht gegeben, in der die Freude über das Wiedersehen zu groß gewesen war. Sie waren unbesonnen gewesen.
Verdammt
.
»Eva, ich sollte keine Kinder zeugen. Das Risiko, dass sie Mukoviszidose haben, ist zu groß.« Ein Schweigen entstand.
»Ich lasse es nicht wegmachen«, sagte sie. »Auf keinen Fall.«
»Du hast nicht erlebt, was diese Krankheit anrichten kann.«
Eva schüttelte den Kopf. »Ich gebe dieses Kind nicht auf.«
Alle möglichen Schreckensszenarien gingen ihm durch den Kopf. Er dachte an die endlosen Krankenhausaufenthalte, die Untersuchungen und Behandlungen, die seine Schwester über sich hatte ergehen lassen müssen. Und dann blitzte auf einmal vor seinem inneren Auge klar und deutlich ein Bild von Eva auf, wie sie sein Kind im Arm hielt.
Er konnte kaum sprechen. »Eva.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe viel im Internet nachgelesen. Das Risiko, dass das Baby krank ist, beträgt fünfundzwanzig Prozent. Es gibt eine fünfundsiebzigprozentige Chance, dass es gesund ist. Wie auch immer, es wird sich herausstellen.«
Er trat zu ihr und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Du weißt nicht, worauf du dich da einlässt.«
Wieder rann eine Träne über ihre Wange. »Das wäre nicht das erste Mal.«
Unter seinen Händen fühlten sich ihre Schultern schmal und zerbrechlich an. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie das Baby behalten würde. Falls dieses Kind krank war, stand ihr einiges bevor. Ihr Leben würde aus einer endlosen Serie von Arztbesuchen bestehen.
Garrison wollte kein krankes Kind in die Welt setzen. Er wollte nicht den Geruch der Kinderabteilung im Krankenhaus riechen und auch nicht die quälend fröhlichen Tapeten in den Zimmern sehen. Er wollte sich keine Gedanken über Medikamente oder Ventilatoren machen müssen.
Er wollte das alles nicht.
Aber er würde damit fertig werden.
»Wir heiraten«, sagte er mit rauer Stimme.
»Was?«
»Ich wollte dich schon vor Monaten fragen, aber ich hab’s nicht getan, weil es dir gegenüber nicht fair ist.«
Wieder stiegen ihr Tränen in die Augen. Er umfasste ihr Gesicht mit den Händen und küsste sie auf den Mund. Sie schlang die Arme um ihn, und zum ersten Mal seit Tagen löste sich ihre Anspannung.
Er küsste sie auf die Stirn. »Wir können in ein paar Tagen heiraten.«
»Es gibt keine besondere Eile. Das Baby kommt erst in sieben Monaten.«
Baby. Kommt. Sieben Monate. Mist.
Seine Hand glitt zu ihrem Bauch. Er hoffte, eine leichte Bewegung zu spüren, aber da war nichts. »Du bist wirklich ganz sicher?«
»Ja.« Sie zupfte einen Faden von seiner Jacke. »Das Timing ist schlecht, ich weiß.«
Garrison und Eva würden ein Kind bekommen.
Jetzt begriff er es wirklich und war vollkommen überwältigt. Der Drang, sie zu beschützen, stieg in ihm auf. »Mom wird ganz aus dem Häuschen sein.«
»Sie wird sich ebenso sorgen wie du.«
»Sie ist optimistischer als
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