So unerreichbar nah
grauen Anzug, der sogar mich um mindestens zwanzig
Zentimeter überragte, mit einem ungebärdigen Schopf dunkelbrauner Locken und
einem kantigem Gesicht, aus dem mich graublaue Augen amüsiert anblitzten. Der
dunkle Bartschatten ließ ihn noch verwegener wirken.
Engelchen
hatte bisher müßig herumgelümmelt und sich auf seiner Wolke gelangweilt.
Schlagartig purzelte es von derselben, richtete sich kerzengerade auf,
flatterte aufgeregt mit den Flügeln und verdrehte genießerisch die Augen. Ich
glaubte zu erkennen, wie es sich lüstern mit der Zunge über die Lippen fuhr…
Ich wusste, dass
ich ihm noch nie begegnet war, aber an wen zum Teufel erinnerte mich dieser
Mann?
Burt
Lancaster! Mein absoluter Lieblingsschauspieler aus Filmen wie "Der
Regenmacher", "Verdammt in alle Ewigkeit" und seiner Paraderolle
in "Der rote Korsar".
Der Typ vor
mir hatte genau denselben spöttisch-ironisch-zärtlich-überlegenen Blick drauf,
mit dem Burt die Herzen seiner Filmpartnerinnen und die der weiblichen Zuschauer
reihenweise zum Schmelzen brachte. Sogar das energische Kinn mit dem Grübchen
besaß er!
Träumerisch
versank ich in diese Augen, stellte mir vor, wie mich Burt in seine starken
Arme zog, an bestimmten Körperstellen abwechselnd streichelte und härter
anpackte und verspürte ein sehnsuchtsvolles Ziehen im Unterleib, als mich Lisa
unsanft in die Wirklichkeit zurückholte.
Sie knuffte
mich in die Seite.
»Hey, Erde an
Tessa, bitte kommen! Ich wollte dir endlich meinen Lucas persönlich vorstellen.
Aber du hast einen total geistesabwesenden Blick drauf. Kommen wir ungelegen? Brütest
du gerade über einem schwierigen Fall?«
Ich löste
meinen starren Blick abrupt vom Objekt meiner plötzlichen Begierde und hoffte,
er habe meinen Blick ebenfalls als geistesabwesend interpretiert und nicht als
pure Lüsternheit erkannt.
Ich spürte,
wie mir die Hitze ins Gesicht schoss.
Du bist
gerade dabei, dich mental vom Freund deiner besten Freundin betatschen zu
lassen, du verräterische Schlampe!
Froh über den
rettenden Strohhalm, den Lisa mir bot, nickte ich etwas zu eifrig mit dem Kopf,
ergriff automatisch die Hand, die Lucas mir entgegenstreckte und erwiderte
deren festen warmen Druck, der mir erneut Schauer über den Rücken jagte.
Er hält
meine Hand in der seinen!
Ich riss mich
am Riemen, zog meine Hand zurück und erwiderte mit einer in meinen Ohren völlig
fremd klingenden, belegten Stimme:
»Hallo Lucas.
Schön, Sie kennenzulernen. Sorry, wenn ich gerade nicht so ganz bei der Sache
war. Aber ich hatte bis vor fünf Minuten ein längeres Telefonat mit einem
Patienten, der unter schweren Depressionen leidet und dem ich ausnahmsweise meine
private Nummer gegeben habe. Kommt doch rein, wenn ihr Zeit habt.«
Ich hoffte
zweierlei: Gott würde mir meine dreiste Lüge verzeihen und sie würden die
Einladung ablehnen.
Mein Outfit,
die Decke auf meiner Couch, der Kindle und das halbvolle Glas Wein im
Wohnzimmer schrien förmlich hinaus, dass hier eine gelangweilte, nichts-vorhabende
Frau versuchte, ihren Feierabend sinnfrei totzuschlagen.
Genau das
Image, welches man einem attraktiven Mann nie vermitteln darf.
Männer haben
den Jagdinstinkt. Je mehr Konkurrenz und Anstrengung nötig sind, um eine Frau
zu erobern, desto anziehender wird die Jagd.
Wobei in
Leggings, Antirutschwollsocken und Schlabberpulli auf der Couch lümmelnde,
Liebesromane lesende Säuferinnen garantiert nicht auf ihrer Abschussliste
stehen.
Wieder hatte
ich eine Sekunde lang komplett verdrängt, dass das Objekt meiner Begierde einen
winzigen Fehler besaß: Er war der Lover meiner allerbesten Freundin, die einen
völlig anderen Typ Frau als ich verkörperte. Er würde nicht hinter mir herjagen.
Und damit war es völlig egal, welchen Eindruck ich ihm von mir vermittelte. Um
Komplikationen zu vermeiden, war meine derzeitige unattraktive Erscheinung für
alle drei Anwesenden perfekt.
Lisa lächelte
zärtlich zu ihm hoch und sah ihn fragend an.
»Was meinst
du, Schatz? Sollen wir Tessa kurz Gesellschaft leisten?«
Auch das war
neu. Normalerweise hatte sie in einer Beziehung die Hosen an und bestimmte, was
getan wurde. Jeden ihrer bisherigen Freunde hätte sie einfach, ohne zu fragen,
an der Hand hinter sich her durch meine Tür nach innen gezogen. Es hatte sie
heftig erwischt. Mich wider Erwarten aber auch. Kalt erwischt.
Noch nie war
es mir passiert, dass ich mich Hals über Kopf auf den ersten Blick verliebte. Lisas
Mr. Right war seit zwei
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