Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So unerreichbar nah

So unerreichbar nah

Titel: So unerreichbar nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
Vom Netzwerk:
Patienten bei mir sitzen
gehabt, die in der Arbeit gemobbt wurden? Es war schwierig, gegen Verleumdungen
und Intrigen glaubhaft vorzugehen und die Situation mit Würde und
Selbstbewusstsein zu ertragen. Die meisten kündigten früher oder später und
suchten sich einen neuen Job.
    Und ich blöde
Kuh hatte mir mit meiner Gutmütigkeit diesen Kuckuck noch ins eigene Nest
gesetzt!
    Obwohl ich
die nächsten Stunden versuchte, mich auf meine Berichte zu konzentrieren, nagte
der Gedanke an Franziska Klausen, die hinterrücks an meinem Stuhl sägte, ständig
an mir. Was in aller Welt konnte ich dagegen unternehmen?
     
    Ich konnte
meine verfahrene Situation nicht einmal abends mit Lisa besprechen, da sie seit
neuestem ständig unterwegs war oder bei ihrem neuen Freund Lucas in dessen
Wohnung übernachtete. Ich hatte dieses männliche Wunderwesen immer noch nicht
persönlich kennengelernt, aber Lisa schwebte bei den wenigen Telefonaten, die
wir seit Beginn ihrer neuen Beziehung miteinander geführt hatten, auf Wolke
Sieben. Sie begleitete ihn sogar zu Fußballspielen in die Allianz-Arena und
fand die Spiele nach eigenen Worten »total spannend«.
    Wo war die
Lisa geblieben, mit der ich mich über Fußball und dessen Anhänger lustig
gemacht hatte?  
    »Wie kann man
so blöd sein, sich für einen Sport zu begeistern, bei welchem zweiundzwanzig
gestandene Mannsbilder EINEM Ball hinterherjagen«, war immer unser Credo
gewesen.
    Auch von Paul
bekam ich keinerlei moralische Unterstützung, da er seit seiner Rückkehr in der
Kanzlei sehr eingespannt war. Bei seinen wenigen Besuchen standen - wie sollte
es auch anders sein - andere Freizeitbeschäftigungen als Reden im Vordergrund.
Mit meinen Bemühungen, diesbezüglich etwas zu ändern, war ich bisher ebenfalls
grandios gescheitert. Paul wollte sich bei mir entspannen und dies gelang ihm
beim Sex am allerbesten. Er war danach so entspannt, dass er jedes Mal sofort
in einen tiefen Erschöpfungsschlaf fiel…
    Da er sich
mittlerweile wieder darum bemühte, mir ebenfalls Erregung mit darauffolgender
Entspannung zu bescheren, verschonte ich ihn vorläufig mit
Beziehungsdiskussionen und meinen anderen Problemen. Ich verschob diese auf
einen späteren Zeitpunkt, wenn er beruflich nicht mehr so unter Druck stehen
würde.
    Zudem bist
du die Fachfrau für menschliche Beziehungen und solltest in der Lage sein,
diese Situation mit deiner Kollegin auf elegante Art und Weise zu lösen ,
    flüsterte mir
mein Therapeuten-Ich besserwisserisch zu. Aber die einzig elegante Reaktion, die
mir spontan einfiel, bestand darin, zu Franziska ins Büro zu stürmen, sie eine
elende Schlampe zu nennen und ihr anzudrohen, ich würde ihr die Augen
auskratzen, wenn sie sich noch einmal an meinen Patienten vergriffe.
    Damit würde
ich ihr jedoch einen plausiblen Grund liefern, meinen Kollegen klar zu machen,
dass ich in die Klapsmühle gehörte und zwar in den Patiententrakt.
    Unser
Berufskodex verbot mir, mich mit den Leuten, die zu ihr abgewandert waren, in
Verbindung zu setzen und sie nach den Gründen zu fragen. Und Jürgen
beispielsweise, das hatte ich heute deutlich mitbekommen, war auch nicht
gewillt, mir eine plausible Erklärung zu liefern.
    Ich grübelte
die halbe Nacht lang über eine wirkungsvolle Vorgehensweise nach. Gegen zwei
übermannte mich die Müdigkeit und ich beschloss kurz vor dem Wegdämmern, die
Vogel-Strauß-Taktik anzuwenden. Franziska würde sich am meisten ärgern, wenn
mich ihr hinterhältiges Vorgehen offensichtlich kalt lassen würde. Und da ich
noch genügend andere Patienten hatte, die mich als ihre Therapeutin zu schätzen
wussten - ich hatte sogar eine Warteliste für freiwerdende Termine - sollten
die Wankelmütigen doch zu Franziska wechseln! Fort mit Schaden im wahrsten
Sinne des Wortes!
     
    An den
darauffolgenden beiden Tagen schien diese Taktik den gewünschten Effekt zu
haben: Ich war ausgesucht freundlich, wenn ich Franziska zufällig auf dem Gang
oder in der Teeküche über den Weg lief. Am Donnerstag reagierte sie zunehmend
unsicher. Als wir am Kaffeeautomat beinahe zusammenstießen, trat ich zurück und
erklärte großzügig:
    »Nach Ihnen,
es ist ja genügend Kaffee da.«
    Ersticken
sollst du daran oder dir deine falsche Zunge verbrennen!
    Vorsichtig
schenkte sie sich in ihren Becher ein und hielt dann zögernd die Kanne in meine
Richtung.
    »Darf ich Ihnen
auch einschenken, Frau Achern?«
    Zuckersüß lächelte
sie mich an.
    »Da wir nun
Teamkolleginnen und

Weitere Kostenlose Bücher