So wahr uns Gott helfe
ins Freie, und ich entdeckte den Lincoln am Straßenrand. Daly musste in die andere Richtung. Ich versprach, ich würde mich melden.
»Wir haben dich in der Kneipe schon vermisst«, erklärte er im Gehen über seine Schulter.
»Ich schaue mal vorbei«, rief ich ihm hinterher.
Aber ich wusste, ich würde nicht vorbeischauen, weil ich mich von solchen Orten fernhalten musste.
Ich stieg hinten in den Lincoln – ich schärfe meinen Fahrern ein, nie auszusteigen und mir die Tür aufzuhalten – und wies Patrick an, mich zum Chinese Friends am Broadway zu bringen. Als ich mich vor dem Restaurant absetzen ließ, erklärte ich ihm, er müsse sich selbst um sein Mittagessen kümmern. Ich wollte in Ruhe die Akte studieren und mich mit niemandem unterhalten.
Ich kam zwischen der ersten und zweiten Gästewelle in das Restaurant und musste keine fünf Minuten auf einen Tisch warten. Weil ich mich sofort an die Arbeit machen wollte, bestellte ich einfach eine Portion gebratenes Schweinefleisch. Ich wusste, es wäre perfekt. Es war hauchfein geschnitten und köstlich, und ich konnte es mit den Fingern essen, ohne den Blick von Wyms-Dokumenten abwenden zu müssen.
Ich schlug den Ordner auf, den Joanne Giorgetti mir mitgegeben hatte. Er enthielt Kopien dessen, was die Anklage gemäß den Beweisoffenlegungsbestimmungen Jerry Vincent hatte aushändigen müssen – also hauptsächlich Dokumente des Sheriff’s Department, die die Straftat, die Festnahme und die daraus resultierenden Ermittlungen zum Gegenstand hatten. Alle Notizen, Strategiepapiere und Verteidigungsunterlagen, die Vincent selbst zusammengetragen hatte, waren mit der Originalakte verlorengegangen.
Für einen ersten Einstieg bot sich das Festnahmeprotokoll an, das die ursprüngliche und grundlegendste Zusammenfassung aller über den Fall bekannten Fakten enthielt. Wie üblich führte das Dokument zunächst die Anrufe auf, die unter der Notrufnummer des County eingegangen waren. Mehrere Anwohner eines Parks in Calabasas hatten Schüsse gehört. Weil Calabasas ein nicht eingegliedertes Gebiet nördlich von Malibu nicht weit von der Westgrenze des County war, fielen diese Meldungen unter die Zuständigkeit des Sheriff’s Department.
Der erste Deputy, der laut Protokoll auf die Hinweise reagierte, war Todd Stallworth. Er war in Malibu für die Nachtschicht eingeteilt und wurde um zweiundzwanzig Uhr einundzwanzig in die Las Virgenes Road am Park geschickt. Dort erhielt er nähere Angaben und machte sich auf den Weg in den Malibu Creek State Park, wo die Schüsse gefallen waren. Als er dortselbst Schüsse hörte, forderte Stallworth Verstärkung an und rollte langsam auf das Parkgelände, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Der zerklüftete, gebirgige Park, der mehreren Hinweisschildern zufolge NACH SONNENUNTERGANG GESCHLOSSEN war, war nicht beleuchtet. Als Stallworth auf dem Hauptweg in den Park fuhr, blitzte etwas im Lichtkegel seines Streifenwagens auf, und der Deputy bemerkte auf einer Lichtung ein Fahrzeug. Er schaltete den Suchscheinwerfer ein und richtete ihn auf einen Pick-up mit geöffneter Heckklappe. Auf dieser standen zahlreiche Bierdosen und eine Tasche, aus der mehrere Gewehrläufe ragten.
Stallworth hielt etwa fünfzig Meter von dem Pick-up entfernt an, und beschloss, auf Verstärkung zu warten. Er gab der Station in Malibu über Funk eine Beschreibung des Wagens durch und wollte gerade sagen, dass er zu weit entfernt sei, um das Kennzeichen ablesen zu können, als plötzlich ein Schuss fiel und der über dem Seitenspiegel angebrachte Suchscheinwerfer zersplitterte. Stallworth schaltete die restlichen Lichter aus, sprang aus dem Streifenwagen und zog sich hinter ein paar Büsche am Rand der Lichtung zurück. Von dort forderte er mit seinem Sprechfunkgerät zusätzliche Unterstützung sowie ein Sondereinsatzkommando an.
In der Folge kam es zu einem dreistündigen Schusswechsel, bei dem sich der Schütze in dem waldigen Gelände rund um die Lichtung versteckt hielt. Er gab immer wieder Schüsse ab, zielte jedoch in die Luft. Keiner der Deputys wurde verletzt und keine weiteren Fahrzeuge beschädigt. Schließlich gelang es einem der schwarz uniformierten SWAT-Polizisten, nahe genug an den Pick-up heranzuschleichen und mit einem Nachtsichtglas das Kennzeichen abzulesen. Die Autonummer führte zu dem Namen Eli Wyms, und dieser wiederum zu einer Handynummer. Der Schütze ging beim ersten Läuten dran, und ein Verhandlungsspezialist des
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