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So weit die Wolken ziehen

So weit die Wolken ziehen

Titel: So weit die Wolken ziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Fährmann
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der Soldat.
    Die geretteten Mädchen besaßen nur das, was sie auf dem Leib trugen. Der Soldat lief hinaus und kam kurze Zeit später mit einem Bündel Felljacken zurück.
    »Da«, sagte er und warf die Jacken auf den Boden. Als er die begehrlichen Blicke einiger Flüchtlingsfrauen bemerkte, drohte er: »Unterstehen Sie sich, den Mädchen auch nur eine Jacke davon wegzunehmen. Ich muss noch mal für ein paar Minuten weg.« Fürsorglich legte er dem Mädchen, das er heraufgetragen hatte, eine der Jacken um die Schultern. Eine der Frauen hatte sich erbarmt und etwas von der wenigen Wäsche hergegeben, die sie bei sich hatte.
    »Wie heißt du eigentlich?«, fragte er das Mädchen.
    Sie antwortete nicht.
    Es dauerte nicht lange, da brachte der Soldat in einem Sack einige Paar grobe halbhohe Soldatenstiefel. »Andere Schuhe konnte ich nicht auftreiben«, sagte er. »Und ich muss jetzt auch weiter.«
    Er ging in die Ecke, in der die Flüchtlingsfrauen saßen, und bat sie: »Habt ein Auge auf die Mädchen. Ihr wisst doch, wie es ist, wenn man in Not ist.«
    »Hau endlich ab«, rief eine der Frauen. »Du junger Spund brauchst uns nicht zu sagen, was wir tun müssen.«
    Die Bauersfrau legte noch einmal Holz in den Kamin, schaute auf die eingemummten Mädchen und sagte leise: »Ach Kinder, wie soll das alles nur weitergehen.«
    Die Frauen brachen am nächsten Morgen früh auf. Sie versprachen, dass sie in der Stadt von dem Unglück berichten und um Hilfe bitten wollten.
    Die Mädchen hatten von der Bauersfrau Brot und Milch bekommen. Sie sprachen kaum miteinander und warteten auf die versprochene Hilfe. Die kam erst nach Stunden, aber anders, als sie es erwartet hatten. Frau Krase trat in die Stube.
    »Gott sei Dank! Ihr lebt! Dass ich euch gefunden habe!«, rief sie. »Ich habe von dem Unglück gehört. Heute Morgen sind wir an der Unfallstelle vorbeigekommen. Frau Theiß ist mit der Gruppe allein weitergegangen.«
    Frau Krase setzte sich zu den geretteten Mädchen. Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie versicherte: »Ich werde euch nicht allein lassen«, versicherte sie. »Irgendwer wird uns bestimmt zum Zug nach Wilhelmsburg oder St. Pölten bringen.«
    Ruth, Gitta und Hertha waren eine knappe halbe Stunde gegangen, als sie auf den Leutnant und seinen Fahrer trafen, die in der Stadt dafür gesorgt hatten, dass sie von den Militärfahrzeugen mitgenommen worden waren. Sie hatten eine Landkarte auf dem Kühler ihres Kübelwagens ausgebreitet und den Kopf darübergebeugt.
    »Guten Abend«, sagte Ruth.
    Der Leutnant schaute kurz auf und erwiderte den Gruß.
    Sein Fahrer sagte: »Herr Leutnant, gehören die nicht zu den Kindern von heute Morgen?«
    Der Offizier schaute sich über die Schulter zu ihnen um und fragte: »Müsste ich euch kennen?«
    »Sicher«, antwortete Ruth eifrig. »Wir sind doch die Mädchen, denen Sie geholfen haben. Den Lkw haben Sie gestoppt. Mit Ihrer 7,65er-Pistole.« Sie zeigte auf seine Pistolentasche.
    Scheiß Kriegszeiten, dachte der Fahrer. Sogar die Kinder kennen sich schon mit Schießeisen aus.
    »Ihr seid allein unterwegs?«, fragte der Leutnant.
    »Ja. Die anderen aus unserer Gruppe hat ein Lkw mitgenommen. Aber wir werden sie bestimmt in Wilhelmsburg finden. Das ist der Treffpunkt für alle Gruppen.«
    »Einen Augenblick.« Der Leutnant kramte in seinem Gepäck und holte eine Tüte heraus.
    »Da, nehmt. Damit ihr merkt, dass heute Ostern ist.«
    Ruth öffnete sie neugierig, zeigte sie den anderen und jubelte: »Lauter bunte Zuckereier. Genau wie Ostern bei uns zu Hause!«
    »Meine Frau und ich haben auch zwei kleine Mädchen«, sagte der Leutnant. »Wenn ich meinen Kindern eine Überraschung bereitet habe, bekam ich von ihnen einen Dankeschönkuss auf die Wange.«
    »Herr Leutnant, Sie werden sentimental«, sagte der Fahrer amüsiert.
    Verlegen zögerte Ruth. Dann sagte sie: »Kannst du von mir auch haben. Den Kuss, meine ich. Ich denke dann, der wäre für meinen Papa.«
    Der Leutnant lachte vergnügt und hob Ruth hoch. Sie gab ihm einen Schmetterlingskuss, hastig und zart.
    Gitta war mutiger und fragte den Fahrer: »Du auch?«
    Der drückte sie an sich und sie küsste ihn.
    »Du musst dich rasieren«, sagte sie. »Meine Mama hat meinem Papa nie einen Kuss gegeben, wenn er stachelig war.«
    Hertha sagte: »Ich habe noch nie gesehen, dass mein Vater meine Mutter geküsst hat.« Sie trat zwei Schritte zurück, als der Fahrer auch sie hochheben wollte.
    »Schröder«, sagte der Leutnant, »sind wir

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