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So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock

Titel: So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melda Akbas
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durfte das schon mit sechzehn. Sie können anziehen, was sie wollen, ohne dass ihre Eltern ihnen verbieten, die Wohnung zu verlassen. Und sie dürfen sich mit Mädchen treffen. Wenn sie vor der Ehe Freundinnen haben, macht kein Mensch einen Aufstand, nicht mal wenn sie sich wild durch alle möglichen Betten vögeln. Sie können beim Sex ja auch nicht ihre Ehre verlieren. Es gibt genug Typen, die sich erst richtig austoben, dann aber, wenn es ernst werden soll, bei ihrer zukünftigen Ehefrau darauf bestehen, dass sie noch Jungfrau ist. Und, regt sich darüber jemand auf? Das wird einfach hingenommen.
    Mein Brüderchen ist sicher keiner von dieser extremen Sorte. Erfahrungen mit Mädchen hat er aber trotzdem. Das geht für unsere Eltern auch voll in Ordnung, denn
das sagt ihnen, dass sie einen attraktiven Sohn haben, für den sich die Mädchen interessieren. Daran kann man gut sehen, wie viel toleranter sie ihm gegenüber sind, im Vergleich zu mir, eben weil er ein Junge ist. Als Tayfun sechzehn oder siebzehn war, ging er mit Seyyal, einer Türkin, die am liebsten gleich von ihm geheiratet geworden wäre. Doch als er das mitbekam, schreckte ihn das eher ab. Er verabredete sich nicht mehr mit ihr, ignorierte ihre Briefe, ging nicht ans Telefon, wenn sie anrief - bis sie aufgab. Davor hatte es auch andere Mädchen gegeben. In seinem Schrank liegt ein ganzer Stapel Liebesbriefe.
    Zwei Jahre später kam Franziska. Neunzehn, so alt wie er, blondes Haar, blaue Augen, Sommersprossen. Franziska war eine Deutsche, sie wohnte mit ihren Eltern in einem hübschen Reihenhaus am westlichen Stadtrand. Mal ein anderes Klischee. Ich mochte sie gern, und für Tayfun tauchte sie gerade zur rechten Zeit auf. Er hatte sein Abitur in der Tasche, aber keinen Plan, was er damit anstellen sollte. Franziska war es, die ihn dazu brachte, sich um einen Ausbildungsplatz zu kümmern. Einmal kam ich nach Hause, als die beiden in unserem Zimmer saßen und seine Bewerbung schrieben. Warum ich das extra erwähne? Für die meisten sicher eine völlig belanglose Sache. Aber nicht für uns.
    Die Beziehung zu Franziska war Tayfuns großes Geheimnis. Die beiden waren schon fast ein Jahr lang ein Paar, bevor er unseren Eltern beichtete, eine feste Freundin zu haben, die noch dazu eine Deutsche war. Von da an dauerte es noch mal einige Monate, bis sie akzeptierten, dass Franziska sich in unserer Wohnung aufhielt. Dass sie nun einfach so auf dem Stuhl in unserem Zimmer saß, als würde sie zur Familie gehören - also, das war schon etwas
Besonderes. Anne hatte sie inzwischen richtig ins Herz geschlossen. Sie fand, dass sie einen positiven Einfluss auf Tayfun ausübte. Es beruhigte sie zu wissen, dass er sich nicht mit seinen Kumpels in irgendwelchen Kneipen herumtrieb, sondern die meiste Zeit mit ihr verbrachte. Und spätestens als Franziska Anne zum Muttertag einen selbstgebackenen Kuchen mitbrachte, war sie ganz hingerissen von ihr. Wir hatten nie zum Muttertag Kuchen gebacken. Ich glaube, Anne hätte nichts dagegen gehabt, wäre Franziska eines Tages ihre Schwiegertochter geworden.
    Ganz anders Baba: Ihn machte das ziemlich fertig. Er brauchte ungefähr doppelt so lange, sich mit dieser Konstellation zu arrangieren. Gut hieß er sie deswegen trotzdem nicht. Wann immer die Sprache auf Franziska kam, wenn Anne zum Beispiel wieder von ihr schwärmte, schüttelte er den Kopf und murmelte: »Sie ist eine Deutsche!« Und das klang dann so, als hätte sie eine ansteckende Krankheit. Doch jetzt kommt der feine Unterschied: Baba war dagegen, dass sein Sohn eine Deutsche zur Freundin hatte. Er sprach über Tayfun wie über einen verlorenen Sohn, der vom rechten Weg abgekommen war. Man merkte ihm an, wie traurig ihn das machte. Aber - und das ist ein riesengroßes ABER: Er duldete die Beziehung. Er warf Franziska nicht aus der Wohnung. Er ließ zu, dass sie mit zu unseren Familientreffen kam und dabei war, wenn wir Geburtstage feierten. Schließlich fand er sich sogar damit ab, dass diesmal Tayfun es war, der eine Hochzeit in Erwägung zog und sich schon ausmalte, mit Franziska in nicht allzu ferner Zukunft Kinder zu bekommen.
    Muss ich noch beschreiben, was geschehen wäre, hätte ich den Versuch unternommen, Batu oder irgendeinen anderen
Jungen auf diesem Planeten, Türke oder nicht, als meinen Freund in unsere Familie einzuführen? Ein Wort dürfte genügen: UNDENKBAR! Vielleicht würde sich Anne eines Tages damit abfinden können, dass ich - nur mal theoretisch

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