So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock
spät allerdings.
Tante Zeynep erzählte einfach weiter, und so erfuhr ich, dass Anne sich schon länger mit diesem Thema beschäftigte, auch einige ihrer Freundinnen eingeweiht hatte. Mir verschlug es fast die Sprache, als ich hörte, dass sie sogar schon eine junge Frau ausgeguckt hatte, die sie mit Tayfun zusammenbringen wollte.
»Trägt sie Kopftuch?«, war meine erste Frage. Auf eine mit Kopftuch würde sich Tayfun niemals einlassen.
»Soviel ich herausbekommen habe, trug sie früher eins, jetzt aber nicht mehr.«
»Hast du sie denn mal gesehen?«, fragte ich weiter.
»Ich habe es versucht. Sie arbeitet als Zahnarzthelferin. Also bin ich vorhin da vorbei und wollte mir einen Termin holen …«
Im ersten Moment dachte ich, Anne will mich veralbern, aber sie hatte sich das nicht etwa ausgedacht, sie war tatsächlich in die Praxis marschiert. Die Zahnarzthelferin, mit der sie dort sprach, war auch sehr hübsch, nur dummerweise die falsche. Das heißt, Anne wusste erst nicht, ob es die richtige war, da sie kein Namensschild trug. Um das herauszufinden, sagte sie ihr, sie habe ihren Terminkalender vergessen, und bat sie, ihr ihren Namen aufzuschreiben, damit sie sie anrufen könne. Die junge Frau hieß Melek, gesucht hatte Anne aber eine Belgin.
Doch so schnell gab sie nicht auf. Sie war fest davon überzeugt, Tayfun etwas Gutes zu tun, wenn sie eine passende Frau für ihn fände. Ich schätze, diese Kuppel-Ader hat sie von ihrem Vater geerbt. Für ihn ist es eine Passion, Paare zu verkuppeln, er brachte schon einige aus unserer Familie, auch weitläufige Verwandte, mit ihren zukünftigen Ehepartnern zusammen. Sein erfolgreichstes Beispiel sind Onkel Kaan, sein jüngster Sohn, und Tante Ipek.
Onkel Kaan hatte als junger Mann eine wilde Zeit. Er war ein richtiger Womanizer, bandelte ständig mit einer anderen an, und keine von ihnen gefiel meinem Großvater. Für ihn waren das alles »leichte Mädchen«, die er nicht in seiner Wohnung haben wollte. Als er genug von den
Amouren seines Sohnes hatte, flog er in die Türkei, fuhr in sein altes Dorf, begab sich auf die Suche - und entdeckte Ipek. Sie, dachte er, würde seinem Sohn gefallen. Wieder zurück in Berlin, setzte er Onkel Kaan ins Flugzeug, damit der sich seine zukünftige Braut ansah. Keiner von uns rechnete ernsthaft damit, dass das funktionieren würde. Es glich schon einem kleinen Wunder, dass Kaan sich überhaupt darauf einließ. Doch dann funkte es bei ihm sofort. Die beiden heirateten, inzwischen haben sie zwei Kinder und sind glücklich.
Diese Geschichte muss Anne die ganze Zeit im Hinterkopf haben. Sie würde einiges darum geben, Tayfun zu einem solchen Happy End zu verhelfen. Mit der Zahnarzthelferin ist es nichts geworden, obwohl Anne mit Tante Zeynep und mir und ihren Freundinnen tausend Pläne schmiedete, sie immer wieder verfeinerte, um irgendwie doch noch ein Treffen zwischen den beiden zustande zu bringen. Jetzt sucht sie nach einer neuen Kandidatin, allerdings ist gerade keine in Sicht.
Ich muss noch einmal auf Batu zurückkommen, die Geschichte mit ihm war ja noch nicht zu Ende: Nachdem er mir mit seinem Kuss gehörig den Kopf verdreht hatte, tauchte er einfach wieder ab. Fünf Wochen lang ab und zu eine Mail, unverfänglich, oberflächlich, als wären wir uns nie nahegekommen. Dann hatte ich die Nase voll und wollte wissen, woran ich war. Falls er eine romantische Ader besaß, verbarg er sie gut. Als Antwort kamen zwei Fragen, die sich wie Vorwürfe lasen: »Wie hast du dir das vorgestellt? Sollen wir uns ständig im Wald verstecken?«
Insgesamt verging ein halbes Jahr, bis ich ihn wiedersah.
Zwischendurch nur wieder der Mailkontakt wie zwischen zwei flüchtigen Bekannten. Ich war unendlich enttäuscht, aber nicht weniger verliebt, dagegen konnte ich nichts tun, ob mir das passte oder nicht. Jede noch so kurze Nachricht von ihm brachte mein Herz in Wallung, erschien mir wichtiger als alle anderen zusammen, die in dieser Zeit eintrafen. Batu here, Batu there, Batu he confused my hair. Was war ich naiv! Aber das allein erklärt es nicht. Batu war das Stück Freiheit, das ich unbedingt besitzen wollte. Ein Geheimnis, mein Geheimnis. Und je weniger ich es zu greifen bekam, umso mehr wollte ich es.
Nur deshalb kam es zu einer noch verrückteren Situation. Weihnachten vor zwei Jahren. Anne war mit zwei Freundinnen nach Antalya gereist, Tayfun mit Franziska für zwei Wochen in die Karibik verschwunden, Baba ging arbeiten. Solange er
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