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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Nickerson
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Pause. »Hm, da steht Sophias Pferd – wo ist die Reiterin?«
    Ich rannte aus dem Zimmer und den Flur hinunter.
    Mein Atem kam stoßweise, als ich zu der Verbindungstür in den Ostflügel lief. Sie war wie immer abgeschlossen. Ich stürmte nach draußen und schaute im Vorbeilaufen in sämtliche Fenster im Ostflügel. Voller Angst blickte ich mich um, ob mir jemand gefolgt war. Kein Joe. In diesem Moment schickte M. Bernard wahrscheinlich nach dem Marschall – oder schlimmer, nach Garvey, damit dieser den Schreiner mit Waffengewalt ergriff.
    Endlich fand ich eine unverschlossene Tür und rannte hinein. Joe war gerade dabei, Leisten an die Wand zu nageln. Fast hätte ich sein Holzbein unter ihm weggestoßen. Zum Glück war er allein. Er richtete sich auf und hob fragend die Augenbrauen. Es schien ihn nicht zu überraschen, eine junge Dame keuchend und in panischer Angst in dem leer stehenden Gebäudeflügel zu sehen.
    Â»Sie müssen auf der Stelle verschwinden«, flüsterte ich. »Monsieur de Cressac weiß, wer Sie sind.«
    Joe erwiderte nichts, sondern nickte nur und wandte sich zum Gehen.
    Â»Seien Sie vorsichtig«, bat ich. »Und viel Glück.«
    Ohne innezuhalten erwiderte er über die Schulter: »Danke, Missy. Ich bin weg, bevor’s jemand merkt. Hab’s schon oft so gemacht.«
    Mein Herz klopfte immer noch wild, als ich Lily in den Stall zurückbrachte.
    Nach einem schweigsamen Abendessen mit einem grübelnden M. Bernard wurden alle Bediensteten zusammengerufen. Die Schwarzen versammelten sich, jung und alt, in einem Halbkreis am Fuß der Verandatreppe. Ling und Mrs Duckworth, Achal und Alphonse standen oben neben dem Master. Garvey stand mit einer neunschwänzigen Katze, wie die brutal aussehende Peitsche genannt wurde, einen Schritt hinter ihnen. Ich presste mich außen an den Türrahmen zum Frühstückszimmer. Mein Patenonkel hatte mir zu verstehen gegeben, dass er mich dabeihaben wollte. Ein Teil von mir glaubte, es nicht ertragen zu können, doch ich wagte nicht, ihm die Stirn zu bieten und ganz wegzubleiben.
    M. Bernard ließ den Blick eine ganze Weile über die Anwesenden schweifen. Er hielt seinen Gehstock so fest umklammert, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Ein Muskel neben seinem Auge zuckte. Die meisten Bediensteten hielten den Kopf gesenkt. Einige scharrten mit den Füßen. Die Anspannung hing greifbar in der Luft.
    Â»Leute«, begann M. Bernard mit lauter, kräftiger Stimme, »wie ihr alle wisst, war ein Fremder hier. Ein Lügner, der gekommen ist, um Unruhe zu stiften. Die Kopfgeldjäger sind dem Kerl schon auf den Fersen. Er wird geschnappt und ins Gefängnis gesteckt werden. Aber ihr – ihr alle – ich habe euch ein Dach über dem Kopf gegeben, euch ernährt, mich um euch gekümmert, und dennoch habt ihr dieser Schlange Unterschlupf gewährt. Was soll mit so treulosen Sklaven geschehen?« An dieser Stelle ließ er den Stock mit solcher Wucht in die Handfläche seiner anderen Hand klatschen, dass alle zusammenfuhren. »Ihr stimmt mir zu, dass ihr Strafe verdient habt, nicht wahr?«
    Die Bediensteten antworteten nicht. Sie blickten weiter zu Boden; keiner wollte die Aufmerksamkeit auf sich lenken, was sehr klug war. Wäre ich der Grund für Monsieurs Zorn gewesen, ich wäre ganz sicher vor Angst vergangen.
    Â»Aber« – M. Bernards Gesicht verzerrte sich etwas, als er sich wieder unter eiserne Kontrolle brachte – »ich will noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen. Eure Essensrationen werden nur diesen Monat gekürzt. Dafür müsst ihr jedoch die Person nennen, die diesen Halunken gewarnt hat, damit er sich davonmachen konnte, bevor ich ihn mir vorknöpfen konnte. Wer war es? Sagt es mir jetzt.«
    Ich griff nach dem Türrahmen. Daran hatte ich nie gedacht. Es war mir nicht in den Sinn gekommen, dass M. Bernard schlussfolgern würde, dass jemand Joe gewarnt haben musste, damit er fliehen konnte. Der Moment zog sich in die Länge. Niemand sprach. Selbst die Kleinen, die sich hinter ihren Müttern versteckt hatten, rührten sich nicht. Vom Wald her erklang der heisere Schrei einer Krähe.
    Â»Nun gut«, sagte mein Patenonkel. »Kinder, geht in eure Hütten. Die anderen kommen bald nach.« Er wartete, bis sie weg waren. »Wenn niemand redet, muss eben ein Unschuldiger leiden. Du, Willie, komm

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