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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Nickerson
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ergriff ihn, wobei ich meine Aufregung zu verbergen versuchte. Der Schlüsselring war schwerer als erwartet.
    Â»Bist du bereit für eine so ›schwere‹ Verantwortung?«, fragte er lachend, aber nicht ganz ohne Ernst.
    Â»Ich hoffe es.«
    Â»Bis auf drei kannst du alle benutzen. Dieser hier« – er zeigte auf einen einfachen schwarzen Schlüssel mit Kratzern am Griff – »passt in das Tor zum Friedhof. Und dieser« – er hielt einen riesigen Schlüssel mit einem ausgestanzten Kreuz im Bart hoch – »öffnet die Kapelle. Der letzte ist für den Zierbau. An diesen Orten ist es nicht sicher und ich muss dir den Zutritt verbieten. Alle anderen kannst du benutzen, einschließlich dieses Messingschlüssels hier, mit dem sich die verlockenden Bücherschränke öffnen lassen. Siehst du, wie sehr ich dir vertraue?«
    Â»Danke, Monsieur.«
    Er küsste mich auf den Scheitel und ging.
    Ich hatte M. Bernards Schlüssel. Endlich.
    Ich inspizierte den Ostflügel, von dem es immer noch hieß , er würde renoviert. Er wurde tatsächlich noch renoviert.
    Als Nächstes versuchte ich es im Archiv. Staubkörnchen tanzten in dem Licht, das durch die Fenster strömte. Ringsherum an den Wänden standen Aktenschränke. Ohne rechtes Interesse öffnete ich Schubladen und Türen und schaute auf Stapel von vergilbtem Papier. Es gab Aufstellungen mit den Ausgaben für diesen riesigen Haushalt, die mehrere Jahrhunderte zurückreichten. Zu einer anderen Zeit wäre es vielleicht ganz interessant gewesen, aber an diesem Tag suchte ich nach etwas anderem.
    Wonach suchte ich eigentlich? Nach etwas Geheimnisumwitterten – etwas, das mit den Frauen meines Patenonkels zu tun hatte. Sie waren über dieselben Flure gegangen wie ich. Drei davon hatten in meinem Bett geschlafen. Ich wollte wissen, was sie gedacht hatten. Ich wollte wissen, ob M. Bernard ihnen gegenüber genauso fordernd war wie mir gegenüber und ob sie ihn geliebt hatten.
    Als ein Tausendfüßler mit geschmeidigen Bewegungen über den Rand des Papierstapels huschte, den ich in der Hand hielt, stieß ich einen erstickten Schrei aus und ließ die Blätter fallen.
    Die Tür flog auf und ich zuckte erschrocken zusammen. Charles genauso. Wir lächelten beide verlegen.
    Â»Entschuldigung, Miss«, sagte er, »Ich dacht, ich hör ’ne Maus.«
    Â»Das war ich. Ich habe wegen einem Tausendfüßler wie eine Maus gequiekt.«
    Er bückte sich und half mir, die überall verstreuten Blätter aufzusammeln.
    Â»Ich habe die Erlaubnis, hier zu sein«, erklärte ich. »Monsieur Bernard hat mir seine Schlüssel gegeben.«
    Â»Herzlichen Glückwunsch, Miss.«
    Ich lachte. So weit, dass er ebenfalls lachte, ging er nicht, aber seine Augen blitzten, als er mit einer Verbeugung hinausging.
    Gott sei Dank war es Charles gewesen und niemand anders. Es hatte so ausgesehen, als steckte ich meine Nase neugierig in alles. Wie beschämend, dass es tatsächlich so war.
    Falls hier drin irgendwelche Spuren der Frauen waren, musste ich danach suchen wie nach der Nadel im Heuhaufen. Ich streckte den Kopf aus der Tür und vergewisserte mich, dass niemand in der Nähe herumlungerte, bevor ich hinausschlüpfte und auf Zehenspitzen den Flur hinunterging.
    Ich eilte zwei Stockwerke hinauf zum Dachboden. Mir blieb fast das Herz stehen, als sich auf dem Flur im dritten Stock langsam eine Tür öffnete. Ich erstarrte. Außer mir kam niemand hier herauf. Aus dem Zimmer schlich Odette. Mit Genugtuung stellte ich fest, dass sie zusammenzuckte, als sie mich sah. Einen Moment lang standen wir nur da und blickten uns an. Ich konnte mir nicht vorstellen, was meine Zofe in diesem Labyrinth aus vollgestellten Zimmern zu suchen hatte. Selbstverständlich kamen von Odette keine gestammelten Ausreden. Ohne Hast wandte sie den Blick ab und raffte mit einer schnellen Handbewegung ihren gestärkten Rock zusammen, damit er meine Volants nicht streifte, als sie den Flur hinunterrauschte.
    Ich schaute ihr nach und fragte mich, ob sie eine Diebin war und das Haus nach Gegenständen absuchte, die sie stehlen konnte. In der Kammer, aus der sie gekommen war, stand ein zierlicher Schreibtisch mit Perlmutteinlagen. Eine der schmalen Schubladen war offen. Sonst fiel mir nichts Ungewöhnliches auf. Ich schaute in die Schublade – leer. Außer … In die Seitenwand

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