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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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sie diesen Ort wirklich mochte.
    »Caspars Büro ist da drüben«, sagte Hugh, als sie das Ende der Straße erreichten. Sein Ton ließ darauf schließen, dass Caspar seiner Meinung nach nicht einmal ein Büro in einem Hühnerstall verdient hätte, geschweige denn in einem prächtigen georgianischen Stadthaus. »Und da links um die Ecke ist das Bowling Green – das Pub, in dem Caspar, wie ich vermute, auf dem Heimweg Station gemacht hat.«
    »Macht er das regelmäßig?«, fragte Gemma.
    »Ich weiß es nicht. Ich bekomme normalerweise nicht mit, was Caspar so treibt. Obwohl unsere Arbeitsplätze nur einen Katzensprung voneinander entfernt sind, kriege ich ihn kaum je zu Gesicht, außer bei Familientreffen.« Nach einer Pause fuhr er etwas bedächtiger fort: »Mir war nicht klar, wie schlimm es inzwischen um die beiden steht. Juliet redet mit uns nicht darüber – jedenfalls nicht mit mir.«

    Gemma erinnerte sich, dass sie selbst ihren Eltern nichts von ihren Problemen mit Rob erzählt hatte, bis sie die Scheidung eingereicht hatte – sie hatte es als zu demütigend empfunden, ihren Eltern zu gestehen, dass ihre Ehe gescheitert war. Sie überlegte, ob sie Hugh das alles erzählen sollte, bezweifelte aber, dass er es als Trost empfunden hätte.
    Hugh blieb stehen, die Hände in den Manteltaschen vergraben, und blickte zu der dunklen Silhouette der Kirche auf, die jetzt wie eine Festung vor ihnen aufragte. Selbst in dem trüben Licht konnte Gemma erkennen, wie abgespannt sein Gesicht aussah. »Ich hätte vorhin eingreifen müssen. Sie ist schließlich meine Tochter. Er hat sie praktisch eine Hure genannt.«
    »Du konntest ja nicht wissen, was er sagen würde.«
    »Nein. Aber ich hätte mich hinterher einschalten können, anstatt alles Rosemary zu überlassen«, wandte Hugh ein. »Rosemary muss nicht erst darüber nachdenken, was zu tun ist, sie tut es einfach.«
    Gemma wusste aus eigener Erfahrung, welche fatalen Folgen es haben konnte, wenn man handelte, ohne nachzudenken, und sie hatte Duncan nachgeeifert, indem sie ihre angeborene Impulsivität ein wenig zu zügeln versucht hatte. Seltsam, dass sein Vater ausgerechnet eine der Eigenschaften, die sie an seinem Sohn immer bewundert hatte, an sich selbst kritisierte.
    »Duncan und ich haben auch nur zugesehen«, sagte sie. »So ein Ehekrach eskaliert eben manchmal schneller, als man denkt.«
    »Du hast natürlich recht«, sagte Hugh, doch Gemma spürte, dass er ihr nur aus Höflichkeit beipflichtete. »Arme Gemma«, fügte er hinzu und fasste sie am Ellbogen, um sie weiterzuziehen. »Da töne ich groß, dass ich den schlechten ersten Eindruck wiedergutmachen will, und was tue ich – ich wasche vor dir unsere schmutzige Wäsche. Muss an Rosemarys berüchtigtem
Punsch liegen. Oder vielleicht hast du einfach ein Talent, die Leute zum Reden zu bringen.«
    »Eine Kombination von beidem, vermute ich«, erwiderte Gemma lächelnd. Er mochte zwar zu tief in die Punschschüssel geschaut haben, aber seine Schritte waren sicherer als ihre, und er sah die Dinge sehr klar.
    Sie passierten die Kirche und dann einen schneebedeckten Platz, offenbar eine Grünfläche. Am Ende dieses Platzes kreuzte die Straße, auf der sie gingen, eine andere, und hier blieb Gemma stehen, den Mund zu einem stummen »Oh« des Staunens und Entzückens geöffnet. Das war es, was Duncan beschrieben, was sie in ihrer Fantasie gesehen hatte. Bunt zusammengewürfelte Häuserreihen, schwarz-weißes Fachwerk neben rotem Cheshire-Backstein, Pfefferkuchenhaus-Giebel und Bleiglasfenster, die ihr wie freundliche Augen zuzwinkerten.
    Ein Schild verriet ihr, dass sie sich in der High Street befanden, doch auch so hätte sie instinktiv gewusst, dass hier das Herz der Stadt war. Die Geschäfte waren nicht weiter bemerkenswert – Filialen von Buchhandels- und Drogerieketten, ein Zeitungsladen -, aber sie waren so dezent in den unteren Stockwerken der im ursprünglichen Zustand erhaltenen Tudor-Häuser untergebracht, dass sie ein Teil der Magie dieses Ortes wurden.
    Viele der Gebäude waren im Lauf der Jahrhunderte ein wenig abgesackt, sodass das Fachwerk sich leicht verschoben hatte, was den Ornamenten in den Gefachen eine schräge, irgendwie expressionistische Note verlieh. Die Dächer waren mit einem Zuckerguss aus Schnee verziert, die bunten Lichter funkelten, dick eingemummte Passanten eilten über die Gehsteige, und von irgendwoher drangen leise weihnachtliche Melodien in ihr Ohr. Gemma musste laut lachen. »Das

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