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So zärtlich war das Ruhrgebiet

So zärtlich war das Ruhrgebiet

Titel: So zärtlich war das Ruhrgebiet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laabs Kowalski
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auch Gallow. Und
genau dieser war es dann auch, der den Drogendealer nach dessen erneuter
Genesung beim Hafenfest wiedererkannte und seinen Freunden Bomber und Schallek
von der Geschichte erzählte. Bomber und Schallek waren nicht minder empört,
wieder wurde der Drogendealer einem Notarzt übergeben. Dass Schallek den Dealer
im Spanienurlaub an der Costa del Sol abermals traf, war sicherlich Pech für
den Mann.
     
    Papa, Onkel Manni, Manna Nüst, Onkel Heinzi und Gallow
fuhren mit dem Zug nach Bochum, um sich das Spiel des VfL gegen den BVB
anzusehen. Auch mein Cousin Andreas und ich waren dabei.
    Manna sagte: „Hör mal, Gallow,
fünfzig Flocken, wenne nackt bis zur Zugspitze läufst und wieder zurück.“
             „Fünfzig Mark?“
             „Bar auffe Kralle“, bestätigte Manna.
             Gallow begann, sich zu entkleiden und legte
seine Sachen auf den Sitz. Zu guter Letzt zog er seine Unterhose aus, drückte
sie Manna in die Hand und stiefelte entschlossen los.
             „Mach schon mal die Patte auf, du bis’ nämich
gleich fünfzig Mäuse ärmer.“
             Kaum war Gallow nicht mehr zu sehen, schob Manna
das Abteilfenster nach unten und warf Gallows Kleider hinaus.
             „Manna, bisse bescheuert? Das kannste nicht
machen“, sagte Onkel Heinzi. „Gallow rastet doch aus!“
             Doch Gallow kehrte nicht wieder, und Manna
machte sich auf die Suche nach ihm. Wie sich später herausstellte, hatte Gallow
bereits zwei Wagen weiter eine wild geschminkte Frau aus Unna kennengelernt.
Von einem BVB-Fan lieh er sich die Fahne aus, band sie sich um die Hüften und
verließ mit der Dame in Bochum-Werne den Zug.
    Mit dem Taxi fuhren sie nach Unna
in die Wohnung der besagten Dame, zwei Jahre später heirateten sie. Manna Nüst
durfte Trauzeuge sein. Zur Trauung auf dem Standesamt erschien er nur mit einer
BVB-Fahne um die Hüften herum.
             „Wer is’n der Spinner?“, fragte Verena, die zukünftige
Frau Gallow. „Gehört der zu dir?“
             Gefeiert wurde auf der Schützenstraße in der
Gaststätte „Vater und Sohn“, und gerade, als man nach dem Essen träge zu werden
begann und das Fest etwas ins Stocken geriet, ging plötzlich die Tür auf, und
es gab ein großes Hallo, weil ein alter Bekannter erschien.
             „Sach ma, kenn’ ich dich nich?“, sagte Gallow. „Du
bist doch der Kerl, der vorer Schule vonne Tochter vonnem Manni seine Schwester
Drogen an die Blagen vertickt!“
             Gerüchten zufolge wanderte der Angesprochene,
kurz nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen worden war, nach Südamerika aus.
Es heißt, er hätte dort für die Kinder in den Favelas eine kostenlose
Suppenküche gegründet. Der Engel ohne Zähne werde er genannt. (Angeblich wurde
er 2006 vom Papst selig gesprochen.)
    Mama hatte mir erlaubt, zu meinem Geburtstag eine Fete zu
machen. Schon Wochen zuvor lud ich Freunde und Mitschüler ein (Volker Kind,
Michael Springer, Uwe Hammacher, Guido Niebecker, Michael Schulz, Gaby Batt,
Silke Zölzer, Anja Franke und einige andere) und sortierte meine Platten in der
Reihenfolge, in der ich sie abspielen wollte. Als der Tag schließlich da war, schmierte
ich Brötchen, und Mama machte Kartoffelsalat.
    Um 18 Uhr, so war es ausgemacht,
sollten meine Gäste kommen, aber auch um 19.15 Uhr war ich noch immer allein.
Meine anfangs gute Laune wandelte sich. Mama kam in mein Zimmer, um eine HB mit
mir zu rauchen und mich zu trösten. Es sei ja noch früh …
    Aber auch um 20 Uhr war noch
niemand gekommen. Damit war es amtlich für mich: Ich hatte gar keine Freunde!
Sie duldeten mich nur, insgeheim aber war ich ihnen völlig egal. Um 20.10 Uhr
kam Mama und brachte mir ein Glas Wein. Den Tränen nah trank ich es leer. Da
plötzlich klingelte es. Es war Michael Springer, sichtlich verwundert, der
erste und einzige meiner Gäste zu sein.
             Eine halbe Stunde lang saßen wir schweigsam auf
meinem Sofa und hörten uns meine neue LP von Manfred Mann’s Earth Band an, aber
obwohl Mama auch Michael Springer das Rauchen erlaubt hatte, wollte keine
rechte Stimmung aufkommen. Bis Mama mit der Flasche Whisky erschien.
             „Aber in Maßen – habt ihr gehört?“
             Gegen zehn beschlossen Michael und ich, im Wald
hinterm Haus spazieren zu gehen. Die Whiskyflasche nahmen wir mit. Laut Udo-Lindenberg-Songs
singend torkelten wir Arm in Arm

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