Socrates - Der friedvolle Krieger
Und deshalb musst du auch noch härter trainieren. Sergej Iwanow ist nicht nur ein ausgezeichneter Kämpfer, seine Stimme hat zudem die Macht, dich zu täuschen und zu verzaubern. Seine Lügen werden dich davon überzeugen, dass die Erde in Wirklichkeit der Himmel ist und dass Schwarz Weiß ist. So weiß wie sein Haar und so schwarz wie seine Seele. Wenn du ihm begegnest, darfst du ihm nicht die Gelegenheit geben, etwas zu sagen. Er würde dich nur verwirren und deine Verwirrung ausnutzen, um dich zu töten.«
Als ihr Vater gegangen war, strich Paulina über die Narbe auf ihrem Nacken. Sie hasste Sergej Iwanow dafür, dass er ihrem Vater immer noch Schmerz bereitete. Eines Tages würde sie ihn finden und dann würde er bezahlen.
Ein paar Tage später stellte Paulina während des Trainings plötzlich mit Schrecken fest, dass ihre Hose und ihre Beine voller Blut waren. Da Jergowitsch sie sofort wegschickte, musste es wohl etwas Ernstes sein. Sie rannte von der Scheune in ihre Hütte und riss sich die Hosen herunter. Aber sie konnte keine Wunde entdecken, nur im Unterleib spürte sie ein leichtes Ziehen. War es eine Krankheit?
In diesem Augenblick kam die alte Schura hinein und sagte ruhig: »Jergowitsch hat es mir erzählt«, als ob das alles erklären würde. Dabei lächelte sie, was Paulina noch mehr verwirrte.
»Das Bluten ist ganz normal, es bedeutet, dass du jetzt eine Frau bist. Es wird auch langsam Zeit, bei dir hat es später angefangen als üblich. Diese Blutung wird nun einmal im Monat stattfinden. Zieh dir andere Hosen an. Wahrscheinlich wirst du heute nur ein leichtes Training machen können.«
Dann gab sie Paulina ein paar Stoffstreifen und sagte: »Wenn du blutest, legst du dir ein paar davon zwischen die Beine.« Dann drehte sie sich um und ging, bevor Paulina etwas fragen konnte.
Gibt es noch andere Geheimnisse, von denen ich nichts weiß, fragte Paulina sich selbst. Was haben sie mir wohl sonst noch alles verheimlicht?
Als sie die Narbe auf ihrem Nacken berührte, dachte sie daran, was Schura über einen Säbel gesagt hatte.
Am nächsten Tag hatte Paulina Fieber und Schüttelfrost. Wenn sie etwas aß, musste sie es gleich wieder erbrechen. In ihrem Kopf drehte sich alles und sie konnte nicht einmal aufstehen. In ihrem ganzen Leben war sie noch nie so krank gewesen. Elena ließ sich nicht sehen, aber die alte Schura kam, legte kühle Umschläge auf Paulinas Stirn, strich ihr über die Wange und gab ihr etwas zu trinken, das schrecklich schmeckte, aber angeblich gut für sie war.
Paulina fieberte und fantasierte. Vor ihrem inneren Auge zogen Bilder vorbei, die keinen Sinn ergaben. Sie erinnerte sich vage daran, dass sie Schura etwas hatte fragen wollen, aber sie konnte sich nicht erinnern, was.
Da die Krankheit sie zwang, untätig im Bett liegen zu bleiben, hatte sie Zeit, sich allerlei Fragen zu stellen, die ihr vorher nie in den Sinn gekommen wären. Wie wird wohl meine Zukunft aussehen? fragte sie sich. Vorher hatte sie nie an die Zukunft gedacht. Würde sie ihr ganzes Leben damit zubringen, einen Mann zu jagen, der vielleicht nicht einmal mehr am Leben war?
Sie musste unbedingt Konstantin sehen und mit ihm reden. Er war ihre Verbindung zur Außenwelt, er würde wissen, was außerhalb der Scheune vor sich ging.
Ihre Gedankengänge wurden jäh unterbrochen, als eine Stimme im Befehlston sagte: »Mach, dass du aus dem Bett kommst!« Vater Dimitri stand unbeholfen in der Tür. »Du musst trainieren - zumindest ein bisschen.«
Paulina versuchte aufzustehen, aber sie fiel erschöpft zurück und schlief sofort wieder ein.
Als sie die Augen das nächste Mal öffnete, sah sie Konstantin an ihrem Bett sitzen. Er legte ihr ein feuchtes Tuch auf die Stirn und strich ihr über den Kopf. »Kontin«, sagte sie erschrocken, »was wird, wenn mein Vater dich hier sieht?«
»Das wird er nicht«, antwortete Konstantin. »Er ist fortgeritten.«
»Auf Patrouille«, fügte er schnell hinzu. Er saß einfach neben ihr und sein Lächeln hob ihre Stimmung, obwohl ihr auffiel, dass es ein trauriges Lächeln war. Sie schloss die Augen, um den Moment zu genießen, als Konstantin so zärtlich wie nie zuvor etwas zu ihr sagte.
»Paulina«, flüsterte er und lehnte sich über sie, sodass sie seinen Atem am Ohrläppchen spüren konnte. »Du hast mir einmal ein Geheimnis anvertraut, nun will auch ich dir eines anvertrauen, damit du weißt, wie sehr ich dir vertraue und was ich für dich empfinde.«
Er holte
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