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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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wieder voneinander unterscheiden!«
    Er warf sich das Bein über die Schulter, bestieg sein altes Pferd und ergriff die Zügel des neuen. Zu Gumlinow gewandt sagte er: »Du solltest wohl besser einen neuen Namen für dein Pferd finden.« Und dann, nachdem er einen Moment überlegt hatte: »Es wäre allerdings noch besser, wenn du ein neues Pferd finden würdest.«
    Damit riss er sein Pferd herum und galoppierte gefolgt von den anderen davon. Gumlinow blieb es überlassen, das arme Tier von seinen Qualen zu erlösen. Dann drehte er sich um, warf sich den Sattel über die Schulter und ging zum Pferch hinüber, in dem ein alter Gaul stand, der friedlich graste.
    Gumlinow war seit fünfzehn Jahren ein loyaler Anhänger Sakoljews gewesen. Und auch jetzt verspürte er nicht den Wunsch, den Ataman zu töten, denn dazu fehlte ihm der Mut. Aber er würde dem Mann applaudieren, der es täte.
    Er beschloss, den anderen nicht nach Norden zu folgen, nicht auf diesem lahmen Ackergaul. Sie sollten das nächste Dorf ruhig ohne seine Hilfe niederbrennen. Er hoffte nur, dass ihn der alte Gaul noch bis ins Lager zurücktragen würde. Dort würde er auch ihn erlösen.
    »Ich habe es satt, Pferde zu töten«, sagte er zu sich selbst. »Genauso wie ich es satt habe, Juden zu töten.«
     
    Während der Abwesenheit ihres Vaters genas Paulina so weit, dass sie das Bett verlassen und zumindest ein paar Dehnübungen machen konnte. Es gefiel ihr, sich zu strecken, weil sie sich dann so geschmeidig wie eine Katze fühlte.
    Sie vermisste Konstantin. Sie wollte, dass er ihr wieder übers Haar strich. Oder hatte sie sich das nur eingebildet? Vielleicht ist es ja nur ein Traum gewesen , dachte sie verwirrt. Aber hatte er ihr nicht etwas gesagt? Sie erinnerte sich noch an das Gefühl seines Atems an ihrem Ohr. Hatte er irgendetwas über ihren Vater gesagt? Plötzlich wurde sie wütend, ohne zu wissen, warum.
    Am nächsten Tag fragte sie Elena: »Hast du Konstantin schon mal mit einem Mädchen gesehen?«
    »Auf so etwas achte ich nicht«, erwiderte Elena kurz angebunden, »aber ich glaube nicht.«
    Paulina fühlte sich irgendwie erleichtert, obwohl sie Elena nicht über den Weg traute. Schließlich war sie nicht mehr als die Dienerin ihres Vaters und gegenüber Paulina immer sehr förmlich und distanziert. Paulina kam es vor, als wäre sie für Elena nichts weiter als eine lästige Aufgabe, die erledigt werden musste - wie das Saubermachen und Kochen. Es war offensichtlich, dass Elena sie nicht besonders mochte. Warum tat sie dann so? Warum taten alle so?
    Paulina bekam immer mehr das Gefühl, in einer Welt voller Geheimnisse und Lügen zu leben.

44
    I m April 1910 war Sergej immer noch auf der Suche. Als er eines Tages über einen Hügel kam, sah er in der Ferne die rauchenden Trümmer eines Bauernhofes. Der Gestank rief Erinnerungen an die vor Jahren niedergebrannte Hütte der Abramowitschs in ihm wach. Einen Augenblick lang dachte er schon, er müsse sich übergeben, als er an die armen Menschen dachte, die unter den rußigen Resten ihrer Behausungen lagen.
    Als er näher kam, sah er einen Mann neben den Trümmern stehen, der offensichtlich im Gebet versunken war. Sergej stieg ab und ging die letzten dreißig Meter zu Fuß, um den Mann nicht unnötig zu erschrecken. Immerhin sah Sergej wie ein Kosak aus. Während er sich dem Mann näherte, suchte er den Boden aufmerksam nach Spuren ab.
    Als Sergej bei dem trauernden Mann angekommen war, blieb er in respektvollem Abstand stehen und wartete, bis der Mann ihn wahrgenommen hatte.
    »Es tut mir leid«, sagte er dann, »waren es Verwandte?«
    »Sind wir nicht alle miteinander verwandt?«
    »Sie reden wie mein Großvater. Sind Sie ein Rabbiner?«
    »Nein, bin ich nicht. War dein Großvater ein Rabbiner?«
    »Nein, aber er redete wie einer.«
    Der Mann nickte stumm und dann sagte er: »Sie waren meine Freunde. Und nun sind sie zu Asche verbrannt.«
    Sergej sagte einen Moment lang nichts, um nicht respektlos zu erscheinen, aber dann fragte er: »Haben Sie gesehen, was geschehen ist? Haben Sie die Männer gesehen, die dies getan haben?«
    »Es war schon vorbei, als ich ankam. Ich kam, um den guten Jitschok und seine liebe Frau zu besuchen … und ihre drei Kinder.«
    Der alte Mann stöhnte auf und nach einer langen Pause fuhr er fort: »Als ich mich dem Gehöft näherte, sah ich in der Ferne Rauch. Zuerst habe ich meinen Gaul angetrieben, um zu helfen, weil ich dachte, es wäre ein Feuer ausgebrochen. Aber

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