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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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anmutigen Nacken locker hinab auf die Schultern. In dem Augenblick, als sich Anjas Lippen zu einem Lächeln öffneten, als sie die Päckchen abstellte und sich mit einer Hand eine widerspenstige Locke aus dem Gesicht strich, war Sergej zum ersten Mal in seinem Leben verliebt.
    Es schien ihm, als hätte er bisher in einer Welt der Schatten gelebt und sei nun plötzlich in eine Welt des Lichtes versetzt worden.
    Anja erkannte Sergej nicht, bis Valeria sie daran erinnerte, dass er sie einmal besucht hatte, als sie noch klein war. Erst dann trat ein Ausdruck des Erkennens in ihre Augen - und etwas anderes, etwas Geheimnisvolles und nicht Fassbares, das Sergej Hoffnung machte.
    Als Anja mit ihrer Mutter in die Küche ging, verschwand das Leuchten, das bisher den Raum erhellt hatte. Sergej war bitter enttäuscht, als Valeria allein zurückkam, bis sie sagte: »Ich hoffe, du bleibst ein paar Tage bei uns, Sergej. Dein Großvater hätte es ebenso gewollt wie ich. Wir haben ein Gästezimmer, in dem du es dir gemütlich machen kannst.«
    »Ist es Anja denn recht, wenn ich bleibe?«
    Valeria stemmte die Fäuste in die Hüften. »Als ich zum letzten Mal darüber nachgedacht habe, war Anja nicht die Herrin dieses Haushalts.« Und dann milder: »Ich bin mir fast sicher, dass sie nichts dagegen hat. Überhaupt nichts.«
    Als Anja zurückkam, sah sie noch strahlender aus. Das dunkelblaue Kleid, das sie trug, betonte ihre Figur. Sergej wusste, dass es unhöflich war, sie so anzustarren, aber er konnte seine Augen einfach nicht von ihr losreißen. Immerhin fiel ihm noch ein, wenigstens nicht mit offenem Mund zu starren. Als Anja in seine Augen blickte, verschwand die Welt um ihn herum.
    Der Bann wurde durch Valerias Stimme gebrochen. »Sergej, würdest du wohl ein paar Scheite Holz auf das Feuer legen, während Anja und ich das Abendessen vorbereiten? Andreas sollte jede Minute zu Hause sein, dann könnt ihr euch wieder miteinander vertraut machen.«
    Damit zog sie Anja mit sich in die Küche. Sergej legte gerade Holz nach, als sich die Tür erneut öffnete und Andreas eintrat. Er war immer noch schlank und hochgewachsen und hatte sich nicht besonders verändert. Valeria kam aus der Küche und stellte die beiden einander vor. Andreas begrüßte Sergej zwar sehr förmlich, aber nicht unfreundlich - auf dieselbe höflich distanzierte Art, wie er Sergej vor Jahren schon begrüßt hatte.
    Beim Essen plauderten sie über alles Mögliche, aber Sergej konnte sich nicht auf die Unterhaltung konzentrieren, weil er ständig zu Anja hinüberschielen musste und einen Blick von ihr zu erheischen hoffte. Als er erzählte, dass er vorhatte nach Amerika auszuwandern, meinte er, auf ihrem Gesicht so etwas wie Enttäuschung zu sehen. Fühlte sie sich ebenfalls zu ihm hingezogen, oder war sie einfach nur höflich, weil er ein Gast war?
    Dann fiel Sergej die Uhr ein. Er entschuldigte sich, ging zu seinem Rucksack, holte die Uhr heraus und brachte sie in das Esszimmer. Er erzählte den anderen von der Karte, die ihm sein Großvater damals gegeben hatte und wie er die Uhr am angegeben Ort gefunden hatte.
    »Sie ist das letzte Geschenk meines Großvaters«, sagte Sergej und gab Valeria die Uhr. »Auf der Rückseite ist diese Adresse eingraviert. Ich glaube, sie gehört hierher auf den Kaminsims.«
    Valeria lächelte dankbar und glücklich. Sie gab die Uhr Andreas, der sie stellte und die Gewichte und das Pendel so einrichtete, dass sie anfingen, rhythmisch hin und her zu schwingen. Selbst nach all den Jahren, in denen sie vergraben war, funktionierte sie noch perfekt. Das Ticken der Uhr war im Einklang mit dem Pochen von Sergejs Herzen, als er sich wieder Anja zuwandte.
    »Was für eine wunderschöne Uhr«, kommentierte Valeria. »Wir lassen sie erst einmal auf dem Sims stehen. Wenn du sie dann mit nach Amerika nimmst, soll sie dich immer an unsere gemeinsame Zeit erinnern.«
    In dieser Nacht konnte Sergej lange nicht einschlafen. Ihm war nur zu bewusst, dass Anja ein Zimmer weiter in ihrem Bett lag. Er hoffte, dass auch sie nicht schlafen konnte, weil sie an ihn denken musste. Und so war es auch.
     
    In den ersten Tagen nach seiner Ankunft machte sich Sergej im Haushalt nützlich und bot an, einige Dinge zu reparieren. Es kam ihn merkwürdig vor, dass Andreas jeden Tag zur Arbeit ging, dass er aber nur im Haus herumwerkte. Er bot Valeria an, etwas zum Haushaltsgeld beizutragen, aber sie lehnte sein Angebot dankend ab.
    Sergej war klar, dass er das Geld

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