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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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angenommen, so als ob Sergej Sankt Petersburg zum ersten Mal durch Anjas Augen sehen würde und sie die Stadt durch seine.
    »Mutter hat natürlich wie immer Recht«, sagte Anja lachend. »Sie befahl uns, frische Luft zu schnappen. Und ist dir aufgefallen, wie frisch es heute Abend ist?« Dann lachten sie beide. Anja zog einen Handschuh aus und bat Sergej dasselbe zu tun. »Ich möchte deine Hand spüren, Sergej. Ich möchte nicht, dass uns Handschuhe trennen. Ich möchte nicht, dass uns jemals irgendetwas trennt!«
    Sergej sah seine Frau an und sagte mit plötzlich rau gewordener Stimme: »Lass uns nach Hause gehen. Es ist Zeit, ins Bett zu gehen.«
    Anja lächelte und die zarte Röte, die ihre Wangen überzog, konnte nicht allein der frischen Luft zugeschrieben werden.
    Als sie zurückkamen, entdeckten sie, dass Valeria und Andreas in der Zwischenzeit all ihre Habseligkeiten in das große Schlafzimmer von Valeria gebracht hatten und deren Dinge in Anjas bisheriges Zimmer.
    »Es ist nur Recht so«, sagte Valeria und wünschte ihnen eine gute Nacht.
    Schon am Morgen hatte Andreas Sergej daran erinnert, dass nach dem jüdischen Gesetz Ehemänner dazu angehalten sind, ihren Frauen am Freitagabend Vergnügen zu bereiten. Sergej hatte vor, sich genau an dieses Gesetz zu halten. Und vielleicht würde er es sogar etwas großzügiger auslegen.
     
    Als sie allein im Zimmer waren, zeigte Sergej Anja das Medaillon und erzählte ihr von dessen Geschichte. Dann schnitt er fünf ihrer kastanienfarbenen Haare ab, wickelte sie zu einer Locke und legte sie hinter das Foto seiner Eltern in das Medaillon.
    »Das war einmal mein größter Schatz. Da du nun mein Schatz bist, schenke ich ihn dir.«
    Dann schlüpften sie unter die warmen Decken ins Bett und Sergej nahm Anja fest in die Arme. Er flüsterte ihr ins Ohr: »Als sich unsere Augen zum ersten Mal trafen, waren wir bereits Mann und Frau.«
    »Als du acht warst und ich fünf?«, neckte sie ihn.
    »Ja und schon vor diesem Leben.«
    Nachdem Anja ihre anfängliche Nervosität überwunden hatte, gab sie sich Sergej vollkommen hin. Die Leidenschaft überwältigte sie und gemeinsam lernten sie die Wege der Liebe kennen und erforschen - in dieser und in jeder folgenden Nacht. Eng umschlungen wurden sie eins.
    Als sie eines Nachts im Bett lagen und Anja unter Sergejs Berührung leise lachte, flüsterte sie ihm zu: »So glücklich habe ich meine Mutter schon seit Jahren nicht mehr gesehen.«
    Scheinbar verwirrt fragte er sie: »Sie ist glücklich darüber, dass wir die Zimmer getauscht haben?«
    »Nein, du Dummer. Männer sind so schwer von Begriff. Sie ist natürlich glücklich, weil sie sich auf ihr erstes Enkelkind freut.«
    »Aha, dann sollten wir uns aber anstrengen, damit sie auch wirklich Grund hat, sich zu freuen«, flüsterte er und küsste Anja sanft auf den Hals.
    Anja drückte sich an ihn und flüsterte atemlos: »Mein Mann, lass uns sofort anfangen, an diesem Projekt zu arbeiten.« Und wie beinahe jede Nacht erneuerten sie ihr Treuegelöbnis mit jedem Kuss und mit jeder Berührung.
    Jede Nacht nahm Anjas Begeisterung für ihre Umarmungen zu und sie erfanden einen privaten Witz, den nur sie verstanden. Wenn Sergej eine Lampe reparierte, las oder sich rasierte, schlich sich Anja manchmal an, drückte sich eng an ihn und flüsterte ihm ins Ohr: »Welcher Tag ist heute, mein lieber Mann?«
    Und jeden Tag antwortete er dasselbe. »Na ja, ich glaube heute ist Freitag.« Woraufhin sie sagte: »Das ist mein Lieblingstag … und meine Lieblingsnacht.«
    In den nächsten Tagen erzählte Sergej Anja von seiner Kindheit. Und er prägte sich all ihre vergangenen Freuden und Sorgen ein, weil er alles von ihr wissen wollte. Sie teilten alles miteinander - beinahe alles.
     
    In den folgenden Wochen legte sich nach und nach ein Schatten über Sergejs Glück. Es war nur eine Ahnung, die seine Stimmung niederdrückte. Es war, als spürte er das Nahen eines Sturmes. Sein Unbehagen hatte etwas mit seinem Versprechen zu tun, noch eine Zeitlang in Sankt Petersburg zu bleiben. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er längst zwei Fahrkarten für den Zug nach Hamburg gekauft und dort zwei Schiffspassagen nach Amerika gebucht. Er hatte zwar versprochen, Valerias Bitte zu erfüllen, aber lange würde er die Abreise nicht mehr hinauszögern.
    Mitte Januar hatte er ein Gespräch mit Valeria und bekräftigte noch einmal seine Absicht, so bald wie möglich abzureisen. »In einem Monat - höchstens zwei

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