Söhne der Erde 07 - Die Herren Der Zeit
denen Sie damals verschwunden waren...«
Sie rührte sich nicht. Nur ihre Augen flackerten auf. Jessardin lächelte flüchtig.
»Sagen Sie jetzt nichts, hören Sie erst zu. Ihr Verfahren ist abgeschlossen, und was wir hier besprechen, wird nicht über diese Räume hinausdringen. Wir haben in diesem Fall ein durchaus gemeinsames Interesse. Ich möchte Klarheit haben und keine bösen Überraschungen erleben. Bei Ihnen ist es das sehr persönliche Interesse, das Sie am Schicksal der Barbaren nehmen. Oder irre ich mich?«
Lara straffte sich.
»Nein, Sie irren sich nicht«, sagte sie sehr ruhig.
»Gut. Davon abgesehen geht es um Helder Kerr, der einer unserer fähigsten Raumfahrt-Experten ist. Lassen wir einmal alles beiseite, was nicht unmittelbar mit dem Problem zu tun hat. Mir geht es um die Frage, ob Sie eine Vorstellung haben, wo die Barbaren stecken könnten, Lara. «
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte sie entschieden.
» Lara - wenn Sie es wissen, müssen Sie jetzt reden. Da die Barbaren vor der Strahlung gewarnt worden sind, haben sie sich mit Sicherheit nicht mit den Geisteskranken verbündet. Aber sie können sich auch nicht allzuweit von den Quellen entfernt haben, und die Intensität der Strahlung hat sich seit den letzten Messungen merklich verstärkt. Falls die Terraner tatsächlich noch leben, werden wir sie irgendwann entdecken. Aber bis dahin könnten sie bereits irreparable Schäden davongetragen haben.«
»Und dann wären sie wirklich gefährlich«, ergänzte Lara. Das ist es doch, worum es geht, nicht wahr?«
»In der Tat. Es war und ist ein reines Sicherheitsproblem. Sie sehen es anders, aber in diesem Fall dürfte es auf das gleiche hinauslaufen. Also?«
Für einen Moment blieb es still.
Laras Blick ging an Jessardin vorbei und haftete auf einem imaginären Punkt an der Wand. Sie konnte die Frage nicht beantworten. Sie wußte nicht, wo sich Charru und seine Freunde versteckt hielten. Und jetzt in der kühlen, nüchternen Atmosphäre dieses Zimmers, unter der Musterung der prüfenden grauen Augen, wurde ihr klar, daß sie nicht hier wäre, wenn sie es wußte.
Hier nicht - und auch nicht an ihrem Arbeitsplatz in der Universität.
Kadnos erschien ihr plötzlich als Käfig, als Gefängnis, dessen Wände immer enger um sie zusammenrückten. Eine Welt, in der wehrlose Kranke abgeschlachtet wurden...Eine Stadt, deren Menschen leben und arbeiten mußten wie Roboter...Selbst in ihrem Beruf als Ärztin, deren Aufgabe es war zu helfen, wirkten diese Gesetze einer unmenschlichen Vernunft. Gesetze, die Menschen nur unter dem Gesichtspunkt der Nützlichkeit sahen. Eine Medizin, die nicht nur heilte, sondern auch liquidierte. Und die Unterscheidung zwischen erhaltenswertem und unnützem Leben traf der Computer.
Nur ein einziges Mal war sie, Lara, ihrem Gewissen gefolgt: als sie damals mit Charru von Mornag ging.
Hätte sie gewußt, wo er war: sie wäre auch heute zu ihm gegangen. Sie bereute, daß sie nicht bei ihm in der Sonnenstadt geblieben war. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als an seiner Seite zu sein - auch wenn es vielleicht Gefahr und Tod bedeutet hätte.
Mit einem tiefen Atemzug straffte sie die Schultern.
»Es tut mir leid«, sagte sie ruhig. »Ich weiß es nicht. Ich kann ihre Frage nicht beantworten.«
»Auch nicht, wenn ich Ihnen versichere, daß sich keinerlei persönliche Konsequenzen für sie ergeben?«
»Auch dann nicht. Ich habe keine Angst. «
Sie wußte nicht, ob er ihr glaubte.
Das hagere, straffe Asketengesicht verriet nichts. Und mit einem Gefühl des Staunens stellte Lara fest, daß es ihr gleichgültig war, was er dachte.
*
Der Filmprojektor surrte.
Ein Filmprojektor, der nichts glich, was Helder Kerr je gesehen hatte, dessen Funktion er nicht durchschaute, dessen Bedienung aber so einfach war, daß jeder mit etwas technischer Begabung sie sofort begriff. Kerr starrte auf das dreidimensionale Bild. Plastisch, als könne man es greifen, als öffne sich der Raum in eine andere Welt! Die Perfektion dieser Technik, die in den Forschungslaboratorien der Vereinigten Planeten noch in den Kinderschuhen steckte, faszinierte den Marsianer immer wieder neu.
Neben ihm lehnten Beryl von Schun, Hasco und Brass an der Wand und betrachteten gebannt das Bild einer Stadt, die vor ein paar hundert Jahren auf dem Planeten Erde existiert hatte.
Eine Stadt, die New York hieß. Häuser, die den höchsten Türmen von Kadnos kaum nachstanden, Straßen; die überquollen vor
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