Söhne der Erde 09 - Die letzten Marsianer
jetzt.«
»Sicher...« Laras braune Augen wurden schmal, während sie die grauen Hütten und das größere Gebäude der Versorgungszentrale betrachtete. Die Anlagen der landwirtschaftlichen Versuchstation lagen in einiger Entfernung, jenseits des Hügels. »Ein einzelner Posten«, murmelte die junge Venusierin. »Nicht gerade viel.«
»Genug, um uns eine Abteilung Vollzug auf den Hals zu holen«, stellte Charru fest.
Lara sah ihn an. Ihr Blick wanderte zu Hunon, der ihr das Profil zuwandte, ein starres Profil, und wieder zurück zu Charru.
»Ich habe einen Universitäts-Jet«, sagte sie langsam. »Ich kann mich als ausgebildete Ärztin ausweisen, und es wird völlig glaubhaft klingen, wenn ich dem Wachmann erzähle, daß ich beauftragt bin, die Gefangenen zu untersuchen, die geflohen waren.«
Charru schüttelte den Kopf. »Das ist viel zu gefährlich.«
»Warum soll es gefährlich sein? Ein einzelner Wachtposten! Ihr könnt euch nah heranpirschen und ihn bewußtlos schlagen, sobald er sich verdächtig benimmt. Im Reservat selbst halten sich nur die Eingeborenen auf. Der Posten wird mir sagen, wo ich Hunons Freunde finde. Wenn sie inzwischen wieder unter Drogen stehen, ist es die Einfachheit selber, sie herauszuholen, weil sie ohnehin jedem Befehl gehorchen werden.«
»Und du glaubst, der Posten läßt euch so einfach verschwinden?«
»Siehst du irgendwo einen Jet? Wir werden schneller wieder weg sein, als er denken kann.«
Laras Augen blitzten entschlossen.
Hunon hatte sich langsam umgedreht und. starrte sie an, mit wiedererwachender Hoffnung in den Augen. Charru biß die Zähne zusammen. Er wußte genau, was die Befreiung seiner Freunde für den Riesen bedeutete. Aber er sah auch die Gefahr. Und es würde Lara sein, die sich dieser Gefahr aussetzen mußte.
» Es ist zu riskant«, wiederholte er gepreßt. »Es hat keinen Sinn, Lara, wirklich nicht.«
Ihre Blicke kreuzten sich.
Laras kurzes blondes Haar schimmerte wie gesponnenes Gold im Licht der beiden Monde. Ihre Stimme klang leise und eindringlich.
» Charru! Wenn Jarlon oder Camelo oder Karstein da unten wären - würdest du dann nicht alles versuchen?«
Er schwieg.
Lange...
Alles in ihm sträubte sich gegen die Erkenntnis, aber er wußte, daß Lara recht hatte.
»Gut«, sagte er heiser. »Wenn du wirklich eine Chance siehst - versuche es.«
VIII.
Langsam ließ Lara den Jet mit den Emblemen der Universität auf das Tor zugleiten.
Sie hatte einen Bogen geschlagen, so daß der Wachmann annehmen mußte, sie komme aus Richtung Kadnos. Vermutlich würde er sich über die späte Stunde wundern. Nur im stillen wundern, wie Lara wußte, denn die Vollzugsbeamten, die den einfachen Wachdienst versahen, waren daran gewöhnt, sich der Autorität zu beugen.
Lara Nord fiel es nicht schwer, Autorität auszustrahlen.
Sie war die Tochter des Generalgouverneurs der Venus. Sie trug den Namen einer Familie, die zu den Gründern von Kadnos gehört hatte, zu den ersten Kolonisten, die die Venus besiedelten, zur Führungsschicht der Vereinigten Planeten. Ihre Personal-Plakette wies sie als Angehörige der höchsten Intelligenzgruppe und als Ärztin in der erweiterten medizinischen Ausbildung aus. Der Vollzugspolizist mußte erst noch geboren werden, der es wagen würde, sie aufzuhalten oder etwa an der Legalität ihrer Handlungsweise zu zweifeln.
Tatsächlich löste der Wachmann sofort das elektronische Signal für die Öffnung des Tores aus, als der Universitäts-Jet heranglitt.
Lara hielt und ließ die Kuppel hochschwingen. Mit einer bewußt arroganten Gebärde präsentierte sie ihre Personal-Plakette und stellte zufrieden fest, daß sich der Beamte respektvoll verbeugte.
»Spezialuntersuchung der eingefangenen Flüchtlinge«, sagte er kühl. »Wo finde ich sie?«
»Fahren Sie bitte zur Versorgungszentrale durch«, bat der Wachmann. »Die Einrichtung des neuen Verwaltungs-Stützpunktes ist bisher nicht ganz abgeschlossen, deshalb wird noch gearbeitet. Ich glaube sogar, Professor Mercant ist auch dort.«
Lara stutzte.
Professor Mercant? Neuer Verwaltungs-Stützpunkt? Sie begriff nicht, wovon die Rede war. Aber sie begriff, daß sich mehr geändert haben mußte, als sie ahnte, und es kostete sie ihre ganze Beherrschung, keine Fragen zu stellen, die den Wachmann mißtrauisch gemacht hätten.
Ihr Herz hämmerte, als sie die Kuppel wieder zuschwingen ließ und die Starttaste drückte.
Langsam flog sie weiter, versuchte verzweifelt, ihre Gedanken zu ordnen.
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