Söhne der Erde 09 - Die letzten Marsianer
Hätte man den Vollzug korrekt über die tatsächliche Gefahr informiert, würden die Beamten heute wahrscheinlich weniger Angst haben und keine Gespenster sehen. «
»Vielleicht haben Sie recht, Conal. Ich werde...«
Der Präsident unterbrach sich.
Der Kommunikator auf seinem Schreibtisch summte. Jessardin schaltete sich ein, und auf dem Monitor erschien das Gesicht seines persönlichen Referenten.
»Eine dringende Anfrage aus Beta-Reservat, mein Präsident. Professor Davina Mercant. «
»Ja, bitte?«
»Professor Mercant läßt fragen, ob sich die allgemeine Suchmeldung nach Doktor Lara Nord inzwischen erledigt habe.«
Conal Nord hob mit einem Ruck den Kopf.
Jessardin runzelte die Stirn. Seine grauen Augen wurden schmal.
»Nein«, sagte er langsam. »Warum?«
»Weil Doktor Nord soeben im Beta-Reservat aufgetaucht ist, mein Präsident. Angeblich, um im Auftrag der Universität die Eingeborenen zu untersuchen, die nach ihrer Flucht wieder gefangengenommen wurden.«
»Fertig«, sagte Lara Nord.
Während sie ein paar unwichtige Zahlen notierte, hatte sie beobachtet, daß der Assistent mit dem Namen Jerrey den Hand-Kommunikator bediente. Er sagte nur mehrmals »ja, Professor«, und »sofort, Professor«. Jetzt ging er vor Lara zur Tür und wandte sich mit einem höflichen Lächeln um.
»Wenn Sie jetzt bitte noch im Büro die Besuchskarte abzeichnen würden, Doktor Nord?«
»Selbstverständlich.«
Lara nickte und lenkte ihre Schritte wieder der Versorgungszentrale zu. Das Abzeichnen der Besuchskarte war Routine. Alles würde gutgehen. Für sie jedenfalls...Sie dachte an Hunon, der jetzt ganz allein war, als letzter von seinen Freunden in Freiheit, und der nichts Unüberlegtes tun durfte. Würde er begreifen, daß er keine Chance hatte, sein Volk zu befreien? Die alten Marsstämme lebten wenigstens in Frieden und Sicherheit, brauchten keine Kriege zu führen und keinen Hunger zu leiden. War das letzten Endes nicht die Hauptsache?
Nein, dachte Lara.
Nicht für Hunon. Auf seine wilde, düstere, unwissende Art glich er den Terranern. Er war sich seiner selbst weniger bewußt als sie, weil er unter dem Einfluß von Drogen gelebt und nie Gelegenheit gehabt hatte, seine Persönlichkeit zu entwickeln. Aber die Legenden und Traditionen seines Volkes waren in ihm lebendig geblieben. Auch er jagte jenem Traum nach, den er Freiheit nannte, auch er war bereit, alles dafür zu opfern.
Lara fragte sich, ob sie je imstande sein würde, das nicht nur zu verstehen, sondern genauso zu fühlen.
Ihr Blick ging nachdenklich ins Leere, als sie Professor Mercants Büro wieder betrat. Sie brauchte ein paar Sekunden, bis ihr bewußt wurde, daß sich ein halbes Dutzend Wachmänner links und rechts neben der Tür aufgebaut hatten.
Wie unter einem Hieb zuckte sie zusammen.
Davina Mercant lächelte sie an. Genauso kühl und ausdruckslos wie vorher.
»Tut mir leid, Doktor Nord«, meinte sie. »Aber Sie werden noch eine Weile hierbleiben müssen. Es gibt da ein paar Unstimmigkeiten, die Präsident Jessardin gern geklärt haben möchte. «
IX.
Charru biß die Zähne zusammen.
Er kauerte geduckt zwischen Gebüsch und roten Felsen, starrte aus schmalen Augen zu dem Gebäude hinüber, in dem Lara verschwunden war. Ein, zwei Minuten vorher hatten es ein paar Wachmänner betreten, Uniformierte mit roten Helmen und geschulterten Strahlenwaffen, die aus einer der grauen Hütten gekommen waren. Schon die drei Burschen in der mattroten Tracht der Universität, die Lara durch das Dorf begleiteten, hatten Charru alarmiert. Was im einzelnen geschehen war, konnte er nur ahnen, aber er wußte, daß Lara allein nicht aus dieser Falle herauskommen würde.
Seine Zähne knirschten.
Er mußte handeln. Sofort. Neben ihm atmete Hunon schnell und rasselnd und ballte die Fäuste. Auch er hatte begriffen. Seine düster brennenden Augen verrieten die Entschlossenheit zu kämpfen, das Reservat dort unten zu stürmen, und wenn eine halbe Armee versuchen sollte, sie daran zu hindern. Und sie mußten kämpfen. Es gab keine List, keinen auch nur halbwegs erfolgversprechenden Winkelzug. Charru wußte glasklar, daß die Sache auf Biegen und Brechen gehen würde.
Seine Gedanken arbeiteten schnell und nüchtern.
Hunon war unbewaffnet, von dem improvisierten Morgenstern abgesehen. Sie hatten ein Lasergewehr, in Charrus Gürtel steckten Schwert und Messer. Ihre einzige Chance lag in der Überraschung. Und die einzig mögliche Taktik war einfach, wie immer in
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