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Söhne der Erde 10 - Aufbruch Ins Gestern

Söhne der Erde 10 - Aufbruch Ins Gestern

Titel: Söhne der Erde 10 - Aufbruch Ins Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
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bereits.
    Vor ihm verstummte der dünne Schrei wie abgeschnitten.
    Das staubige Laub von Büschen und Bäumen versperrte die Sicht auf den See. Hatten ein paar von den Kindern dort gebadet? Sie konnten schwimmen, alle. Damals, wenn unter dem Mondstein die kurzen, heftigen Regengüsse das Tiefland überschwemmten, hatte ihnen nicht einmal die empfindliche Kälte dieses seltene Vergnügen verdorben.
    Charru rannte wie gehetzt, genau wie die anderen.
    Die ungreifbare, fiebrige Spannung, die den ganzen Tag über die Atmosphäre beherrscht hatte, verdichtete sich jäh zu einer kalten Drohung. Staub wirbelte jenseits der Buschkette. Charru fegte ein paar Zweige zur Seite, rannte weiter und wechselte die Richtung, als er die kleine Gestalt entdeckte, die die Kraterwand hinaufzuklettern versuchte.
    Robin!
    Der Blinde schrie etwas. » Mariel!« verstand Charru. Dann seinen eigenen Namen, wieder und wieder. Mit vier, fünf langen Sätzen erreichte er den Fuß der Kraterwand und fing den Jungen auf, als er zurückrutschte.
    »Robin! Was ist geschehen?«
    Der Junge zitterte. Seine Hände bluteten, die blinden Augen waren weit aufgerissen.
    »Mariel! Sie ist davongelaufen, und dann hat sie geschrien. Ihr müßt ihr helfen! Schnell! Bitte schnell!« . »Paß auf ihn auf, Camelo!«
    Charru rief die Worte über die Schulter, während er bereits die Steilwand hinaufturnte. Die Stille, nur von Robins Schluchzen, schnellen Atemzügen und den Schritten der anderen unterbrochen, erschien ihm gespenstisch. Von rechts näherte sich jemand in fliegender Hast über den Grat des Ringwalls: der Posten, der an dieser Seite Wache hatte. Wie eine Katze schwang sich Charru ebenfalls auf den Grat und spähte nach unten, doch zwischen den roten Felsen der Wüste war auf den ersten Blick nichts zu entdecken.
    Er atmete aus.
    Innerlich war er darauf gefaßt gewesen, irgend etwas Schreckliches zu sehen. Aber auch die leere Wüste beruhigte ihn nur für Sekunden. Mariel hatte geschrien. Sie mußte gestürzt dein, und das konnte zwischen den schroffen Felsen gefährlich werden, erst recht für ein zehnjähriges Mädchen, das nur einen Arm hatte. Mit zusammengebissenen Zähnen glitt Charru die Schräge hinunter, doch auch hier war keine Spur von der Kleinen zu sehen.
    Gerinth und Beryl, die beiden Tarether, Karstein und ein paar von den Nordmännern hatten ebenfalls den Fuß des Ringwalls erreicht. Camelo half Robin herunter - es war sinnlos, den Jungen drüben auf der anderen Seite festhalten zu wollen. Charru hörte Schritte und erregte Stimmen. Schlagartig war es in der Stille des Schlupfwinkels lebendig geworden, als teilten alle das gleiche beklemmende Vorgefühl.
    »Sie muß hier irgendwo sein«, flüsterte Robin. »Es war meine Schuld. Sie ist davongelaufen, weil ich sie an Kim und Lar und Eric erinnert habe. Ich wollte sie daran erinnern. Ich wollte, daß sie nicht immer nur in sich hineingrübelt, daß sie... «
    »Das war richtig, Robin«, sagte Camelo beruhigend.
    Und Charru, der bereits weiterging, versuchte vergeblich, nicht daran zu denken, was es für den Jungen bedeuten mochte, wenn Mariel etwas passiert war.
    Zwei Minuten später wußte er, daß ihr wirklich etwas zugestoßen sein mußte.
    Die feucht schimmernden Flecken im roten Staub waren noch frisch. Charru sah die blutige Schleifspur, die auf eine Gruppe größerer Felsblöcke zuführte, und seine Magenmuskeln zogen sich zusammen.
    Ein Dutzend Schritte.
    Der Wind hatte roten Sand zwischen die Felsen geweht. Charru tauchte in den Schatten - und blieb wie angewurzelt stehen.
    Mariel...
    Sie war tot, und sie war nur noch an den Fetzen des grobgewebten Leinenkleides zu erkennen.
    *
    »Mariel! «
    Robin schrie den Namen und riß sich von Camelo los, als habe er das schreckliche Bild trotz seiner Blindheit wahrgenommen. Charru fuhr herum, fing die taumelnde Gestalt auf und hielt sie hart an den Schultern fest. Zitternd hob der Junge das Gesicht zu ihm empor. Tränen strömten über seine Wangen.
    »Ein Tier... «, flüsterte er. »Es war ein Tier, nicht wahr?«
    Charru biß die Zähne zusammen.
    Er wußte, daß er nicht lügen konnte. Robin hätte es gespürt. Und das tiefe, entsetzte Schweigen, die Reglosigkeit der Menschen, die wie versteinert verharrten, Laras unterdrücktes Schluchzen - das alles sprach zu deutlich.
    »Ja«, sagte Charru. »Eins der Tiere, die aus den Gehegen ausgebrochen sind und nicht wieder eingefangen werden konnten.« Sein Blick hing immer noch an der kleinen,

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