Söhne der Erde 10 - Aufbruch Ins Gestern
unwägbares Risiko blieb. Aber wenn sie sofort versuchten, die Gefangenen zu befreien, bestand die Gefahr, daß die Marsianer mit kopfloser Panik reagierten, daß alles scheiterte...
»Nicht jetzt«, entschied Charru. »Niemand wird wagen, sich an ihnen zu vergreifen. Fertig?«
»Fertig«, sagte Gillon rauh. -
Kerr nickte nur. Noch einmal wandte sich Charru an Simon Jessardin. Die Blicke aus den saphirblauen Augen des Barbarenfürsten und den grauen des Präsidenten bohrten sich ineinander.
»Wenn Sie Ihr Leben wegwerfen wollen, versuchen Sie es nicht jetzt, sondern später, wenn verhandelt wird«, sagte Charta hart. »Denn wenn Sie es hier in diesem Gebäude tun, wird es vermutlich mit einem Kampf und einem Blutbad enden. Ich nehme an, daß Sie das nicht wollen. «
»Nein«, sagte Jessardin ruhig. »Das will ich nicht. «
»Dann gehen Sie voran. Unser Jet steht unten auf dem Platz. Niemand wird uns aufhalten. «
Simon Jessardin ließ noch einen kurzen Blick durch das Büro wandern, als nehme er davon Abschied.
Mit einer beherrschten Bewegung wandte er sich zur Tür. Flankiert von Helder Kerr und Gillon in der schwarzen Vollzugsuniform betrat er das Transportband. Charru folgte ihm. Eins der Lasergewehre hing an seiner Schulter. Den Verschluß des marsianischen Anzugs hatte er weit heruntergezogen, seine Fingerkuppen berührten den Griff des Dolchs. Wenn es hart auf hart ging und sie tatsächlich nur noch mit Hilfe ihrer Geisel weiterkamen, würde die Drohung der blanken Klinge wahrscheinlich mehr bewirken als eine Strahlenwaffen.
Immer noch war es gespenstisch still in dem großen Gebäude. Charru lauschte, spürte mit jeder Faser die zunehmende Spannung. Jetzt, kurz vor dem Ziel, schienen Fragen wie Hammerschläge gegen die Mauer seiner Beherrschung zu dröhnen. Hundert Menschen im Sirius-Krater... Ein von marsianischem Vollzug umzingeltes Schiff... Eine Geisel, die nicht freiwillig nachgeben würde... Was war, wenn Conal Nord nicht zum Zuge kam? Wenn Jom Kirrand das Heft an sich riß? Würde er es wagen, das Leben des Präsidenten aufs Spiel zu setzen? Oder einfach die Nerven verlieren?
Niemand begegnete ihnen, als sie in einem der Transportschächte nach unten fuhren.
Jetzt noch der breite Hauptflur, der die verschiedenen Trakte des Gebäudes verband. Das leise sirrende Laufband endete in der großen Empfangshalle. Charru wußte, daß sie dort mit Sicherheit bewaffneten Wachmännern begegnen würden. Aber nicht sie waren es, die das Drama der nächsten Minuten heraufbeschworen.
Ihre Blicke spiegelten lediglich leichte Überraschung.
Charrus Aufmerksamkeit richtete sich auf die Tür. Jessardin schien entschlossen, ruhig weiterzugehen. Ihm war klar, daß hier und jetzt keine Entscheidung fallen, sondern höchstens ein Chaos entfesselt werden, konnte.
Im gleichen Augenblick kam eine Gruppe von drei Uniformierten aus einem der Gänge an der rechten Seite der Halle.
Sie strebten dem Hauptflur zu. Charru sah sie aus den Augenwinkeln und wandte den Kopf. Zwei einfache Vollzugspolizisten und ein mittelgroßer, drahtiger Mann, der zu seiner schwarzen Uniform einen silbernen Gürtel trug.
Kirrand!
Jom Kirrand auf dem Weg zu Simon Jessardins Büro!
Auch der Präsident hatte ihn gesehen und verlangsamte unwillkürlich seine Schritte. Helder Kerrs Kopf ruckte herum. Kirrands wachsamer Blick glitt über die Gruppe. Seine Augen flackerten auf, dann blieb er stehen, als sei er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen.
Charru wußte, daß ihn der andere erkannt hatte.
Kirrand schnappte nach Luft. Das Blut wich aus seinem Gesicht. Die Wachmänner spürten seine Reaktion, zuckten zusammen, blieben ebenfalls stehen. Charru hielt den Atem an, und der nächste Sekundenbruchteil schien sich auf groteske Weise auseinanderzuziehen, als verlangsame die Zeit ihren Ablauf.
»Barbaren!« krächzte Kirrand.
Die beiden Wachmänner in seiner Begleitung wurden weiß vor Schrecken, doch.das hinderte sie nicht, mechanisch die Lasergewehre von den Schultern zu reißen. Jessardin hob beide Hände zu einer hilflos anmutenden Geste, die vielleicht beschwichtigend gemeint war. Und Helder Kerr handelte.
Er handelte blindlings, aus dem verzweifelten Impuls, unter allen Umständen ein Blutbad zu verhindern.
Er handelte, um den Präsidenten der Vereinigten Planeten zu schützen - und niemand hatte die Chance, ihn aufzuhalten.
»Nicht schießen!« rief er. »Kirrand, Sie müssen...«
Weiter kam er nicht.
Mit ausgebreiteten Armen war
Weitere Kostenlose Bücher