Söhne der Erde 14 - Das verheißene Land
nicht, hatten bis vor kurzem nicht einmal gewußt, daß es so etwas wie Ozeane überhaupt gab. Jetzt lernten sie, mit Segeln und Netzen umzugehen, den Wind zu berechnen, die warnenden oder beruhigenden Zeichen am Himmel richtig zu deuten und die Weite der See zu lieben, die vergessen ließ, daß auf der Erde verseuchte, hitzebrütende Dschungel und gespenstische Totenstädte existierten.
Yattur machte es Spaß, die neuen Freunde mit hinauszunehmen.
Genauso eifrig wurden Beryl von Schun, Hasco, Jerle und die anderen begabten Techniker an Land in die Geheimnisse des Bootsbaus eingeweiht, in die komplizierten und langwierigen Methoden, nach denen ein Schiff entstand, in viele andere Dinge, die mit Fischfang und Meer zusammenhingen. Die Terraner revanchierten sich. Jahre in den trockenen Steppen des Tieflands hatten ein sehr wirksames Bewässerungssystem hervorgebracht, das es auch gestatten würde, der Wüste neues Land abzuringen. Die Tempeltal-Leute verstanden sich besonders gut auf die Gewinnung und Bearbeitung von Metallen. Und viel von der Ausrüstung der »Terra« erleichterte ganz einfach das Leben, obwohl die Technik, die dahintersteckte, für Yarsols Volk fremd war.
Charru fragte sich manchmal, ob sie einen Fehler machten, wenn sie diese Technik benutzten.
Der Gedanke beunruhigte ihn, Dinge wie die Lasergewehre in die friedliche Welt dieser Oase gebracht zu haben. Aber die Waffen existierten nun einmal, die marsianische Technik ließ sich aus der Erfahrung der Terraner nicht mehr wegdenken. Die Vorstellung, Lasergewehre auf Menschen richten zu müssen, war für sie alle beklemmend. Aber würden sie zögern, sie zu benutzen, wenn vielleicht eine Meute mutierter Ratten in das Dorf einfiel? Benutzten sie nicht auch Laras Medikamente? Hatte eine einfache Injektion nicht erst neulich ein krankes Kind aus Yarsols Volk gerettet, das nach Meinung der Fischer hoffnungslos dem Tod geweiht gewesen war?
»Woran denkst du?« fragte Lara leise.
Charru zuckte die Achseln. »Ich frage mich, ob nicht auch wir etwas in diese Welt bringen, das nicht hierhergehört - genau wie die Marsianer.«
»Unsere Waffen? Die Energiewerfer, die Lasergewehre, das bißchen Technik?«
»Ja ...«
»Aber wir benutzen es nicht gegen diese Welt! Wir erobern nicht, wir wehren uns nur. Wir versuchen nicht zu herrschen und Macht auszuüben, wie es die Priester vorhatten, als sie damals ein ganzes Waffenarsenal von Luna mitnehmen wollten. Und wir zwingen den Menschen nicht unseren Willen auf, wir greifen nicht in ihr Leben ein wie die Marsianer, sondern passen uns dem Leben hier an. Wenn man uns in Ruhe läßt, wird die »Terra« bald nur noch eine Art Mythos sein. Und ein paar Lasergewehre und eine Handvoll Medikamente können das Gesicht der Erde nicht verändern.«
Charru nickte nur.
Das Schiff glitt jetzt wieder auf die Küste zu, wo sich die Sonne wie ein rotglühender Ball dem westlichen Horizont zusenkte. Schwarz hoben sich Hügel und Klippen vom Himmel ab, weit im Süden waren die bizarren Umrisse der Ruinenstadt zu sehen. Im Dorf würden jetzt bereits die Feuer brennen und ...
»Was ist das?« fragte Camelo gedehnt.
Charru hob den Kopf und folgte der Blickrichtung des Freundes.
Aus zusammengekniffenen Augen starrte Camelo zu einem bestimmten Punkt an der Küste. Einem Punkt, wo die fahlen Sanddünen der Wüste bis unmittelbar ans Wasser reichten. In dunklen, unregelmäßigen Inseln wucherten Dornengestrüpp und der harte, raschelnde Strandhafer. Dazwischen bewegten sich ein paar huschende Schatten.
Charru runzelte die Stirn.
Es konnten Staubschleier gewesen sein, die er gesehen hatte. Vielleicht ein paar von den leichten Knäueln aus Grasfetzen, dürren Zweigen und Moder, die der Wind durch die Wüste trieb. Oder etwas anderes ...
»Yattur!« rief er halblaut. »Siehst du etwas an der Küste? Zwischen den Sanddünen?«
Yattur kauerte hoch oben im Mast auf einer hölzernen Plattform.
Angespannt spähte er nach Westen, die Augen mit der flachen Hand gegen die tiefstehende Sonne abgeschirmt. Ein paar Sekunden lang rührte er sich nicht, dann stieß er etwas in seiner Heimatsprache hervor.
Sein Bruder Yabu zuckte zusammen und wechselte die Farbe.
»Ratten!« flüsterte er. »Die Ratten der toten Stadt!«
Seine Gefährten wurden bleich; die Furcht vor den mutierten Bestien steckte tief in ihnen. Auch Jarlon wurde bleich. Camelo legte ihm mit einer spontanen, beruhigenden Geste die Hand auf den Arm. Charru preßte die Lippen
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