Söhne der Erde 19 - Der Tödliche Ring
wissen, daß er nicht mehr lebt.« Olant keuchte und kämpfte gegen das Würgen, das an seiner Kehle zerrte. »Vielleicht helfen sie uns doch. Ich will nicht hier sterben. Ich will nicht.«
Chan antwortete nicht mehr.
Mit dem Oberkörper war er gegen einen Felsen gesunken, sein Atem ging flach und schnell. Olant grub die Zähne in die Unterlippe. Er spürte seine eigene Schwäche, das Zittern, das ihn immer wieder überfiel, den kalten, klebrigen Schweiß, der über seinen Körper sickerte. Nackte Angst lag in dem Blick, den er zu dem unheimlichen silbernen Schiff hinüberwarf. Er hatte nie aufgehört, die Marsianer als mächtige übermenschliche Wesen zu betrachten. Aber er wußte, daß weder Chan noch er selbst die Kraft hatten, das Flugzeug wieder zu starten. Er glaubte schon den Atem des Todes zu spüren, der nach ihm griff. Wenn sie keine Hilfe fanden, würden sie beide hier sterben.
Noch einmal versuchte der hagere Tempeltal-Mann, Chan an der Schulter zu rütteln, dann richtete er sich taumelnd auf.
Alles war besser, als in dieser eisigen Wildnis wie ein Tier zu krepieren. Mühsam, mit schwankenden Schritten begann Olant, auf das Schiff zuzugehen. Ein paarmal stolperte er, stürzte und quälte sich ächzend wieder hoch. Rote Schleier tanzten vor seinen Augen, und es dauerte Sekunden, bis ihm auffiel, daß in der glatten Außenhaut des Metallgiganten eine Lücke klaffte und eine schräge, schimmernde Rampe auf den Boden zuglitt.
Olant prallte zurück.
Seine Augen wurden weit und starr, hafteten voller Entsetzen an den Gestalten, die das Schiff verließen. Monströse Gestalten, schwerfällig, eingehüllt in schimmernde Schutzanzüge, in klobige Helme, hinter deren Sichtscheiben die Gesichter verschwammen. Olants siedendes Hirn war unfähig, nach einer vernünftigen Erklärung für die Erscheinung zu suchen. Panik überfiel ihn. Er wollte sich herumwerfen, blindlings davonlaufen, aber er fand nicht mehr die Kraft dazu.
Mit einem schluchzenden Laut brach er auf die Knie, krümmte sich zusammen und verbarg zitternd das Gesicht in den Händen.
*
Wie eine Vision tauchten die beiden Boote aus der Dunkelheit. Charru atmete tief auf. Hinter ihm verharrten die anderen sekundenlang stumm, als könnten sie noch nicht glauben, was sie sahen. Der Rückmarsch durch die Nacht, durch die tödliche Kälte und das gefährlich trügerische Gespinst des Mondlichts war ein Alptraum gewesen. Charru spürte den Kopf des kleinen Kjell an der Schulter, den er in einem Sitz aus Anschnallgurten auf dem Rücken schleppte. Weder Jarlon noch Ciron waren mit ihren Verletzungen der Strapaze gewachsen gewesen. Die Nordmänner hatten sich damit abgewechselt, sie zu tragen. Immerhin waren sie bei Bewußtsein: Jarlon voll erbitterter Wut über seine eigene Schwäche, Ciran mit einem verwirrten, eigentümlich abwesenden Ausdruck in den Augen.
Er hatte sich vorwärtsgequält, bis er zusammenbrach, weil er sicher gewesen war, daß ihn die Terraner zurücklassen würden.
Er an ihrer Stelle hätte es getan. Er wäre nicht im Traum auf den Gedanken gekommen, einen seiner Feinde durch diese schreckliche Wildnis zu schleppen, nicht einmal eins der Kinder. Er begriff es nicht. Tief in ihm nagte die Furcht, daß man ihn nur gerettet hatte, weil man ihn um so grausamer bestrafen wollte. Schmerz, Schwäche und Angst verwirrten seine Gedanken, und in der Wärme des klimatisierten Beibootes verlor er fast sofort das Bewußtsein.
Minuten später starteten die beiden Fahrzeuge und zogen nach Norden davon.
Charru blieb schweigsam, während sie die endlosen Bergketten und das Wüstengebiet überquerten. Ab und zu warf ihm Camelo einen forschenden Blick zu. Sie dachten an das Schiff, das in dem Himalaya-Tal gelandet war. An das Flugzeug, das Bar Nergal bedenkenlos in die Strahlenhölle geschickt hatte und das immer noch dort sein mußte. Der Pilot mochte sich täuschen lassen. Die Schiffsbesatzung dagegen würde sehr schnell herausfinden, daß die Terraner nicht zu den Opfern der Atomexplosion zählten. Camelo ahnte, daß diese Nacht für sie noch nicht zu Ende war.
Sie waren alle erschöpft, als sie endlich das Lager in dem weiten, dunklen Flußtal erreichten.
Einen Augenblick vergaß Charru die drängenden Gedanken, als er die Luke des Bootes öffnete, in dem Indred inzwischen Lara und das Baby einquartiert hatte. Die alte Heilkundige wurde gebraucht, um nach Jarlon, Ciran und den beiden Kindern zu sehen. Lara schlief, das winzige rosige Bündel
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