Söhne der Erde 20 - Durch die Hölle
möglichen Problemen gewachsen sein sollte.«
»Roboter«, wiederholte Charru. »Technik, Waffen und ...«
»... und trotzdem keine Welt, die den Vereinigten Planeten gleicht.« Mark zögerte und ließ die Fingerkuppen über die Rasten und Schalter der Kontrolle gleiten. »Nein, keine Welt wie die Vereinigten Planeten«, bekräftigte er. »Aber du hast recht. Es wird schwierig werden, den richtigen Weg zu finden.«
»Unseretwegen vor allem«, stellte Charru fest.
»Nicht nur euretwegen. Im Gegenteil: Ich bin davon überzeugt, daß uns das Zusammenleben mit euch sehr viel helfen wird, von den Gesichtspunkten, über die wir gestern gesprochen haben, ganz abgesehen. Versetz' dich in unsere Lage! Wir alle wollen eine neue freie Welt aufbauen. Aber keiner von uns hat auch nur die geringste Erfahrung mit einem anderen System als dem der Vereinigten Planeten. Ihr dagegen habt völlig entgegengesetzte Erfahrungen. Eure Ordnung funktioniert, oder nicht?«
»Sie funktioniert. Aber sie läßt sich nicht auf euch übertragen, glaube ich.« Charru zögerte und zog die Unterlippe zwischen die Zähne. »Sie funktioniert nicht ohne Gewalt, Mark - die legitime Gewalt, die den Schwachen gegen den Starken schützt. Auf dem Mars und euren anderen Planeten gibt es den Vollzug. Bei uns steht im Notfall ein Mann mit dem Schwert in der Faust auf. Wir haben unter dem Mondstein ein einfaches Leben geführt, wir brauchten nicht viele Gesetze und Strafen. Wer seinen Eid brach, verlor die Ehre, und das hieß, daß er in einem unsichtbaren Kerker lebte, der ihn endgültiger von allem abschnitt als die Mauern eurer Strafkolonie. Wer einen anderen tötete, außer im fairen Kampf, mußte darauf gefaßt sein, selbst sein Leben zu verlieren.«
»Faustrecht«, sagte Mark gedehnt.
»Nicht, wenn du damit meinst, daß sich nur der Stärkere durchsetzt. Das wäre gar nicht möglich, weil niemand allein steht, weil jeder so stark ist wie seine Sippe, seine Freunde - oder derjenige, dem er den Gefolgschaftseid geleistet hat. Normale Streitigkeiten wurden vor dem Rat entschieden. Aber wir haben nie etwas wie euren Vollzug gehabt, nie irgendein Machtinstrument, weil jeder in erster Linie für sich selbst einsteht.«
»Und das hat von uns niemand gelernt, jedenfalls nicht in diesem Sinne.« Mark zuckte die Achseln. »Es wäre auch gar nicht möglich, einfach weil der Merkur eine völlig andere Welt sein wird als der Mondstein. Und trotzdem müssen wir einen Weg finden - das meinte ich, als ich dich gefragt habe, ob ihr euch hier abkapseln werdet.«
»Das können wir nicht. Die meisten von uns wissen, daß wir uns ändern müssen, weil sich unsere Welt geändert hat, daß es sinnlos ist, starr am Überkommenen festzuhalten. Wir werden einen Weg finden.«
Mark nickte mit einem tiefen Atemzug.
Auf dem Sitz neben ihm hörte Jarlon schweigend zu und nagte an der Unterlippe. Mark hatte ihm erklärt, warum nur eine begrenzte Anzahl Menschen auf dem Merkur leben konnten - nicht viel mehr als diejenigen, die ohnehin mit der »Solaris« und der Fähre kommen würden. Der Junge hatte sich damit abgefunden. Aber mit der Tatsache, daß sein Bruder bereit war, auch die verhaßten Priester zu retten, konnte und wollte er sich nicht abfinden.
Charru fragte sich immer noch, ob er überhaupt das Recht dazu hatte.
Zwischen einem Mann wie Bar Nergal und den Merkur-Siedlern würde es ganz sicher Konflikte geben. Vermutlich stellten sie sich alle, Mark eingeschlossen, die Sache zu einfach vor. Die Probleme würden erst mit der Zeit auftauchen - falls ihnen die Marsianer diese Zeit ließen.
Auf der Nachtseite des Merkur herrschte eine Kälte, bei der das Wasser der wenigen Bäche gefror und das Gestein ständig knackte und arbeitete.
Einmal, während sie die schmale Dämmerungszone durchflogen, erkannte Charru unter sich in der Ebene ein paar massige Schatten, die sich langsam bewegten: Drachenkamm-Echsen. Sie flohen vor den singenden Triebwerken der Beiboote. Als die Fahrzeuge landeten, lag die Ebene leer in der Nacht, deren Finsternis nicht einmal von einem Mond gemildert wurde. Nur die Sterne funkelten: ferne, winzige Punkte an einem Himmel, der nicht viel anders aussah als auf der Erde.
Jarlon, Mark und die anderen, die nur mitgekommen waren, um den Start zu beobachten, blieben in den Booten.
Charru warf noch einen prüfenden Blick in das harte, verbissene Gesicht seines Bruders und zuckte die Achseln. Es gab nichts mehr zu sagen. Und ein Gutteil des
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