Söhne der Erde 20 - Durch die Hölle
Möglichkeit hätte sie wahrscheinlich dazu gebracht, ihre Geiseln mitzuschleppen statt freizulassen.
Coradi drückte Irnet in einen Schalensitz und befahl Lara und Jon Erec, sich ebenfalls zu setzen.
Der zweite Offizier war bereits dabei, die Instrumente zu überprüfen. Spannung lastete in dem kleinen Fahrzeug. Draußen rührte sich niemand. Es gab keine Möglichkeit, das Beiboot anzugreifen, ohne alle Insassen zu gefährden.
»Fertig«, meldete der Mann im Pilotensitz.
»Gut«, sagte Coradi gepreßt. »Starten Sie!«
Laras Kopf ruckte hoch. »Sie haben versprochen ...«
»Sie kommen mit! Alle! Start frei!«
Lara starrte ihn an.
»Warum?« fragte sie tonlos. »Warum denn? Was haben Sie davon, wenn Sie ..:«
John Coradi lachte auf. Ein bitteres Gelächter.
»Was ich davon habe? Ist Ihnen das nicht selbst klar? Ohne Sie würde ich vor Gericht landen. Stattdessen werde ich derjenige sein, der Sie mitsamt Ihrem Barbarenkind gerettet und in die Arme Ihres Vaters zurückgebracht hat. Und das heißt, daß man mich vermutlich sogar befördern wird, statt mich zu bestrafen.«
Das Singen der Triebwerke mischte sich in die letzten Worte.
Steil wurde das Beiboot hochgezogen. Draußen brauchten die Terraner Sekunden, um zu begreifen, daß sie getäuscht worden waren. Gerinth schrie etwas, das Lara nicht verstehen konnte. Zehn, zwölf Männer warfen sich herum, rannten auf die restlichen Fahrzeuge zu, doch Coradis triumphierendes Lächeln verriet, daß sie keine Chance hatten.
Nicht eins der verbliebenen Boote löste sich vom Boden.
Das davonziehende Fahrzeug geriet in wilde Trudelbewegungen, weil dem Marsianer im Pilotensitz vor Nervosität die Hände zitterten. Lara war aufgesprungen, klammerte sich an der Lehne des Sitzes fest. Coradi machte ein paar Schritte auf sie zu, doch sie wußte selbst, daß sie nichts mehr ändern konnte.
Zwei Sekunden starrte sie John Coradi an, dann hob sie die Hand und schlug ihn mit aller Kraft ins Gesicht.
»Du Lump!« zischte sie. »Du gemeiner Lump! Ich schwöre dir, das wirst du bereuen!«
VI.
Die »Solaris« schwenkte bereits in den Orbit um die Erde ein, als der Funkspruch kam.
Beryl von Schun bediente das Gerät. Schlagartig wurde er bleich. Seine Hand fiel auf die Taste, die den Lautsprecher einschaltete.
»... konnten wir nichts mehr verhindern«, kam Gerinths ferne verzerrte Stimme. »Wir glaubten alle, daß es den Marsianern nur um die Flucht ging. Wir hätten es besser wissen müssen. Sie wollen Lara als Faustpfand benutzen, um straflos zu bleiben.«
Charrus Atem stockte.
Sein Kopf flog herum, er starrte Beryl an. Der drahtige Tiefland-Krieger verstand.
»Und Erlend?« fragte er ins Funkgerät.
»Ist ebenfalls in dem Boot, genau wie Jon Erec und Irnet.« Gerinth zögerte, während sich Charrus Fäuste verkrampften, fuhr dann leiser fort. »Ihr habt ja selbst gesehen, was sich zwischen Irnet und Coradi anbahnte. Ihr habt es genau wie fast alle, geduldet, weil euch diese Heuchler am Ende leid taten. Niemand wollte ständig neben Coradi stehen und ihm auf die Finger schauen. Er ist nie mit Irnet in einem der Boote allein geblieben, aber den Frauen und Kindern, die meist dabei waren, kann man nicht zum Vorwurf machen, daß er es schaffte, die Fahrzeuge zu manipulieren.«
Charru schloß die Augen.
Sekundenlang war ihm schwindlig, pochte hämmernder Schmerz hinter seinen Schläfen. Lara ... Erlend ... Die Marsianer würden alles daransetzen, sie von der Erde wegzubringen, sie Simon Jessardin in die Hände zu spielen als Garanten dafür, daß sich die Venus nicht aus der Föderation löste. Und dann würde er, Charru, seine Frau und seinen Sohn nie wiedersehen.
»Steht fest, daß ein marsianisches Schiff auf der Erde gelandet ist?« drang Beryls heisere Stimme in sein Bewußtsein.
»Wir waren nicht sicher. Ein paar von uns glaubten, es am Nachthimmel gesehen zu haben. Aber Coradi hätte sich mit dem Beiboot sicher nicht in ein ungewisses Abenteuer gestürzt.«
»Nein«, murmelte Beryl. »Vielleicht - eine Forschungsexpedition. Welchen Grund sollten die Marsianer haben, ein Kampfschiff zu schicken?«
»Das weiß ich nicht. Werdet ihr landen?«
Charru schüttelte den Kopf.
»Wir werden dieses Schiff suchen«, sagte er rauh. »Die Ortung der »Solaris« kann es doch erfassen, oder?«
Die letzte Frage war an Dane Farr gerichtet. Der hagere Militär-Experte hatte schweigend zugehört, war auffällig blaß geworden. Jetzt furchte er die Stirn.
»Ja«, sagte er
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