Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes
nicht entziehen. Sie blickte zu Cassian und strich eine Haarsträhne von seiner Wange. Erstaunlich, wie schnell ihm Bartstoppeln sprossen. Vom Schlaf übermannt streckte er alle Viere von sich und sah unglaublich liebenswert aus. So friedlich, so gar nicht wie ein Mann, der sich in einen Wolf verwandeln und Schrecken verbreiten konnte.
Sie würde die Ruhephase nutzen, um in der Küche nach etwas zu suchen, das nicht nach Huhn schmeckte, und bei dieser Gelegenheit konnte sie ihm einen weiteren Krug seiner heiß begehrten Milch mitbringen. All ihre Sinne waren befriedigt, zurück blieb das zärtliche Bedürfnis, Cassian zu verwöhnen, eigenhändig sein Essen anzubraten und die rohe Leber, die er verschlang, in kleine Häppchen zu schneiden. Zu dieser frühen Stunde würde sie bestimmt keinem der anderen Hausbewohner begegnen und durfte frei in der Küche walten.
Sie hauchte einen Kuss auf seine Schläfe, wickelte das Laken um sich und schlich auf Zehenspitzen zur Tür. Weder machte sie ein Geräusch, noch hörte sie eins. Cassians Zugriff kam aus dem Nichts, so plötzlich, dass sie aufkeuchte. Jäh wurde sie vom Boden gehoben und landete an seiner breiten Brust. Sie lachte auf.
»Du hast mich erschreckt!«
»Wohin willst du?«, knurrte er an ihrem Ohr und es klang nicht spaßig.
Wohin sollte sie schon wollen, bekleidet mit einem Laken? Der Klammergriff seines Arms um ihre Taille erlaubte keine Scherze.
»Ich will nur in die Küche. Lass mich runter.«
»Du bleibst hier.«
Das klang nach einem Befehl. Reflexartig wehrte sie sich, als er sie zurück zum Bett tragen wollte. Sein Arm schlang sich fester um sie und schnürte ihr den Atem ab. Das ging zu weit. Bei allem Verständnis für seine Bedürfnisse, etwas mehr Rücksicht konnte sie erwarten. Sie strampelte, griff nach hinten, bekam sein Haar zu packen und zerrte daran.
»Hör auf damit, Florine.«
»Nein! Du tust mir weh!«
Cassian ließ so abrupt von ihr ab, dass sie sich nicht mehr halten konnte und zu Boden fiel. Sofort war er über ihr, auf allen Vieren, und diesmal diente es nicht der gemeinsamen Belustigung. Cassian sah alles andere als verspielt aus. Seine Miene wirkte steinern, düster durch die Bartstoppeln. Quecksilbrige Funken sprühten in seinen Augen.
»Du machst mir Angst, Cassian.«
»Ich mache dir keine Angst. Angst würde ich riechen«, erwiderte er mit der Logik eines Wolfes und riss das Laken von ihrem Körper.
Unter sich spürte sie den Teppich, und er war nicht so weich, wie er aussah. Seine Knie teilten ihre Beine. Warm und hart drückte sein Glied gegen ihren Schoß. Als er ihre Handgelenke packte und sie über ihren Kopf zog, wusste sie, was geschehen würde. Ihr Aufschrei wurde von einem unnachgiebigen Kuss erstickt. Tief drang er in sie ein, und obwohl ein Teil ihres Verstandes sagte, sie solle sich wehren, öffnete sich ihr Körper für ihn. Er zog sich etwas zurück.
»Du hast keine Ahnung was geschieht, Florine.«
Soeben noch hatte sie eine Ahnung gehabt und mehr als das. Er zwang ihr seinen Willen auf. Wie auch Mica seine Quellen gefügig machte. Und doch war es nicht dasselbe. Sie fühlte sich nicht benommen, sondern hellwach. Sie spürte die Teppichfasern in ihrem Rücken und an ihren Beinen ebenso deutlich wie Cassians Bewegungen. Sie glaubte in ihrem Leib jeden seiner Muskeln zu fühlen, wie sie sich spannten und lösten. Es war ein Strudel, der nicht allein aus Leidenschaft geboren war. Es ging weit über eine lustvolle Niederlage hinaus.
»Nimm mich, Florine«, raunte er an ihren Lippen.
Seine Worte ließen ihre Gedanken inne halten. Etwas in ihr gab nach. Sie zerfloss und setzte sich neu zusammen. Sie schlang die Arme um ihn, presste ihn an sich und verschmolz mit ihm, bis sie eins waren. Ein Körper, ein Atem, ein Herzschlag, sogar ein Kreislauf, der beider Blut in sich vereinte. Sie wusste nicht, wo sie begann und er aufhörte. Es war gewaltig, großartig und zutiefst verstörend in seiner Intensität. Ein Kampf um einen gemeinsamen Untergang und einen gemeinsamen Sieg. Es währte nicht lange, und als es zu Ende war, war sie so durcheinander, dass sie zu weinen begann. Cassian hob sie auf die Arme und trug sie zurück zum Bett, wo sie sich zusammenrollte, ohne begreifen zu können, was geschehen war. Sie war sie selbst, aber gleichzeitig war alles anders.
»Es ist bald vorbei, Petite. Lange dauert es nicht mehr«, versprach er.
Bei Einbruch der Nacht befanden sie sich auf einer breiten Dachterrasse
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