Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
gefolgt. Immerhin war ihr dabei warm geworden. Auch wusste sie jetzt, was eine Riposte war, eine Batutta, eine Ligade und eine Cavation. Theoretisch. Während ihrer Übungen hatte sich der Himmel über dem Aventin verdunkelt. Wolken brachten frischen Schnee. Die ersten Flocken rieselten herab und hafteten an den Steinnymphen auf ihren Sockeln. Die zarten Figurinen schienen ihr Gehopse zu belächeln. Aus gutem Grund, denn den Degen hatte Ruben ihr bisher vorenthalten.
Licht fiel aus den Quadraten der Fenster, hinter denen derweil eine gewichtige Verhandlung stattfand. Tizzio war zu einer ersten Unterredung mit Selene bereit gewesen. Da es um sein Revier ging, wollte er die Einmischung eines anderen Alpha nicht dulden. Auch eine Strega und die Tochter des Hauses schienen dabei nicht erforderlich. Berenike hatte sich zu ihnen gesellt und wohnte der Fechtübung bei. An einen Sockel gelehnt, schien sie in ihrem fließenden Gewand einem Märchen aus tausendundeiner Nacht entsprungen, als habe sie ein fliegender Teppich aus dem Orient in den Garten entführt. Das diffuse Zwielicht schien der Lamia nichts auszumachen. Jedenfalls fiel sie nicht in Tiefschlaf.
Endlich kamen die Degen ins Spiel. Aurora beäugte den ihren enttäuscht. Am Rande der Sockel gab Berenike einen abfälligen Laut von sich.
„Was soll der Korken auf meiner Degenspitze?“
„Ich möchte nicht, dass du dich versehentlich verletzt, Süße.“
„Du meinst wohl, dass ich dich nicht verletze.“
„Darum mach dir keine Sorgen. Du wirst mich nicht treffen.“
Da die erste Lektion dem Gehorsam gegenüber dem Fechtmeister gegolten hatte, widersprach sie nicht. Obwohl der Korken ihrem Degen viel von seiner Anmut raubte.
„Das ist lächerlich“, merkte Berenike an.
Ruben überhörte den Einwurf und glitt in die Ausgangsposition. „En garde.“
Langsam setzte sie das linke Bein zurück, richtete den Fuß im rechten Winkel aus und beugte das rechte Bein. Der vermaledeite Korken lenkte sie ab, sonst wäre sie schneller gewesen. Sie richtete den Korkwulst auf Ruben.
„Vorstoß.“
Sie stieß vor. Die Klingen klirrten aneinander, er parierte und bog den Korken samt Degen weit nach links ab, um einen raschen Gegenstoß auszuführen. Sie sprang zurück und wischte mit der Waffe wild durch die Luft.
„Nicht verkrampfen. Achte auf deine Beinarbeit. Deine Füße stehen zu eng zusammen. In Position und gleich noch einmal.“
„Wozu soll denn der Degen gut sein? Gegen die Larvae helfen blanke Klingen nichts.“
Ein langer enervierender Wolfsblick traf Berenike. Es blieb Zeit genug, die eigene Position zu überprüfen und die Füße korrekt aufzustellen. Aurora hob den Degen, als der nächste Einwurf von Berenike kam. Offenbar kümmerte es sie wenig, von einem Alphawolf niedergestarrt zu werden.
„Ich würde wirklich gern erfahren, was das soll.“
„Lass sie reden und konzentrier dich auf die Übung“, sagte Ruben.
Trotz der Ermahnung senkte Aurora ihren Degen und drehte sich zu Berenike um. Mit verschränkten Armen stand sie da, schutzlos den Elementen ausgeliefert in ihrem dünnen Kleid ohne Ärmel. Der Wind wehte ihr Haar zu einem blauschwarzen Schleier auf. Schmale Zöpfe waren hineingeflochten. Die aufgeworfenen Lippen verliehen der Lamia eine kühle Arroganz.
„Natürlich trete ich den Larvae nicht mit einem Degen gegenüber, Berenike. Die Übungen dienen dazu, meine Reaktionen zu verbessern. Gedanke und Handlung müssen nahtlos ineinander übergehen. Das ist nicht nur im Umgang mit Waffen, sondern auch in der Magie wichtig. Auch ihr geht ein Wille voraus und je schneller ich diesen umsetzen kann, desto besser ist es für mich. Die Larvae werden mir kaum Zeit zum Überlegen lassen.“
„Ah so“, machte Berenike, wenig überzeugt.
Aurora wollte noch mehr dazu sagen, doch Ruben hinderte sie.
„Achte nicht weiter auf sie. In Position. En garde.“
Diesmal attackierte er. Im letzten Augenblick konnte sie parieren. Ihre Klingen fanden zu einem gleichmäßig fließenden Rhythmus aus Stoß, Parade und Riposte. Es machte Spaß!
„Besonders schnell ist das ja nicht. Wenn es um Reflexe gehen soll, meine ich“, mischte Berenike sich wieder ein.
Ein besonders wuchtig geführter Hieb schlug Aurora beinahe den Degen aus der Hand. Ruben hielt inne.
„Willst du nicht ein wenig im Haus herumschnüffeln und belauschen, was sie reden?“, rief er Berenike zu.
„Mir ist schon klar, was du bezweckst, Werwolf“, konterte Berenike, und ihre
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