Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
„Konsequenzen? Das ist albern. Keiner von ihnen wäre dir in einem Kampf gewachsen.“
„Statt meiner werden sie Cassian angreifen und meine Nachkommen gefährden. Ich brauche Stabilität in Paris und du in Rom. Und unser Volk braucht eine Erinnerung daran, wer die Entscheidungen für sie fällt. Eine Einigung mit den Wolfssippen ist zu unserem Vorteil. Wir brauchen diesen Frieden, Mutter, und wir werden ihn erwirken. Du, ich und die Wölfe.“
„So spricht ein Feigling!“, warf Berenike ihm an den Kopf.
Er hatte sie quer durch den Raum geworfen, aber deswegen würde sie nicht alles hinnehmen. Wut ballte sich in ihr, eine Hitze, die aufkochte. Wieder einmal wollte er zum Nachteil ihrer eigenen Art einen Beschluss fassen. Ihr Einwurf verklang ungehört, als sei sie durch den Sturz in die Vitrine unsichtbar geworden.
„Ich kann nicht glauben, dass sie ihren Goldenen ernsthaft bedrohen“, sagte Selene.
„Was hast du erwartet? Es musste dazu kommen. Unser Volk hängt an einer Vergangenheit, die einzig die Ältesten von uns erlebt haben. Umso mehr sehnen sie sich danach zurück. Sie werden einen Frieden nur dann akzeptieren, wenn wir beide einen Schulterschluss bilden, gegen die Vampire und die Lamia. Ich werde nicht darauf warten, bis sie meine Nachkommen angreifen.“
Er übertrieb maßlos. Niemand wäre so vermessen, die Nachkommen des Goldenen anzutasten. Selbst Berenike hatte daran nicht gedacht, trotz ihrer Abneigung gegen ihren Bruder. Nachkommen mussten bewahrt werden, ob sie nun reines Blut besaßen oder nicht. Wieder ergriff sie das Wort. „Mein Bruder, so sehr ich dich verurteile, wir werden nicht zulassen, dass Florine oder einem ihrer Kinder etwas zustößt. Sie gehören zum Stamm der Mechalath und daran kann nichts etwas ändern. Wer gegen sie vorgeht, greift meine Mutter und mich an. Zu ihrem Schutz braucht es kein Bündnis mit den Werwölfen. Wir sind stark!“
Mica wandte sich ihr zu. Seine Augen sprühten in einem vollkommen blanken Gesicht.
Selene schaltete sich ein. „Jederzeit bekenne ich mich zu dir, denn du bist mein Sohn. Wer dich anficht, wird es bedauern. Meine Erklärung werden sie akzeptieren. Kein Vampir, keine Lamia wird dagegen sprechen. Sie werden sich dem Willen ihrer Ältesten beugen. So wie es schon immer war.“
„Eine Erklärung reicht nicht. Du musst ein Zeichen setzen. Schließe ein Bündnis mit Tizzio, hier in deinem Revier, und jeder wird den Ernst deiner Absichten erkennen. Das ist es, was ich von dir brauche.“
„Nein! Das ist keine Lösung!“
„Nike, ich bitte dich inständig …“
Sie fuhr ihrer Mutter über den Mund. „Das ist Verrat an unserem Volk. Ein Zusammenschluss mit den Wölfen bedeutet, dass wir unseren Leuten den Krieg erklären. Nichts anderes wird das Resultat sein. Es gab niemals auch nur Überlegungen zu einem solchen Frieden. Seit Jahrhunderten trachten die Werwölfe danach, uns auszulöschen, und er spielt ihnen in die Hände. Ich werde dem nicht zustimmen.“
„Weder habe ich dich um Zustimmung gebeten noch um die Preisgabe deiner unerheblichen Ansichten“, knurrte Mica.
„Du bist doch nichts weiter als ein infamer Feigling“, rief sie. „Dein Gold hat seinen Glanz verloren. Was hast du vollbracht? Das alte Volk hast du gespalten wegen eines unsinnigen Gesetzes zum Nutzen unserer Herden. Anstatt uns zu einen, hast du uns getrennt, um unwerte Sterbliche zu schützen. Und jetzt willst du dich mit den Wolfssippen einigen, willst Freundschaft mit jenen schließen, die unsere Mörder sind. Du solltest vor Scham im Boden versinken.“
„Berenike, schweig!“, grollte nun auch Selene.
„Ich lasse mir nicht den Mund verbieten. Du bist verblendet von deinem Sohn und siehst nicht, dass er sich längst von uns abgekehrt hat. Weißt du, was du herausfordern wirst, Mutter? Den Hass der Lamia. Sie werden dich nicht länger ehren. Seinetwegen. Weil er sein Kind einem Werwolf überließ. Warum hast du dieses Vieh nicht getötet, Mica? Statt eines Bündnisses sollten wir die roten Wölfe in Rom ausrotten. Sie alle sollten sterben. Das ist der einzig wahre Weg!“
Atemlos hielt sie inne. Mica war zu einem Block aus Marmor versteinert. Seine Pupillen waren aufgeschnellt, zwei schwarze Löcher in seinen Augen. Selenes Mundwinkel waren verzerrt, doch anstatt demjenigen Abscheu zu zeigen, der ihn verdiente, galt er Berenike. Mica überließ ihr das Wort. Selene schien aus einem tiefen Schacht zu sprechen, aus dem sie zweistimmig
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