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Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes

Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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Nur sie, eine verlassene Landschaft und die Gegenwart der allgewaltigen Mutter Erde unter ihren Füßen. Sie streckte ihren Geist nach ihr aus, dicke Wurzeln, die sich mehr und mehr verästelten, je tiefer sie drangen.

     
    Ruben scherte sich nicht um den eingespannten Silberpfeil in Berenikes Armbrust. Es war lediglich ein weiterer Ausdruck ihrer Feindseligkeit ihm gegenüber, über den er hinwegsehen konnte. Zumal sie beide ganz andere Sorgen hatten. Die Larvae waren begierig auf neue Opfer und hatten ihre Fährte schnell aufgenommen. Im Laufen sah er über die Schulter zurück und wurde langsamer.
    „Sie haben sich verändert“, stellte er fest.
    Aus Motten und Asche hatten sich feste Gestalten gebildet, die ihnen nahezu lautlos folgten. Nur hin und wieder war ein Rauschen von pergamentenen Flügeln zu hören, und dann in einer Lautstärke, aus der zu schließen war, dass nahezu jede jemals verfluchte Seele in dieser Nacht aus ihrem Grab entstiegen war, um die Verfolgung aufzunehmen.
    Berenike rannte ohne zurückzublicken an ihm vorüber. Trotz des beträchtlichen Gewichts ihrer Armbrust geriet sie nicht außer Atem. Sie wurde schneller, je tiefer sie in die verwinkelten Gassen vordrangen, die zwischen ihnen und der Via Appia lagen, an deren Tor sie auf die anderen treffen würden. Die Lamia jagte so schnell dahin, dass er sie im Dunkeln aus den Augen verlor.
    „Es geht nicht darum, unsere Verfolger abzuhängen“, rief er Berenike nach und folgte bedeutend langsamer.
    Vor ihm erstreckte sich das rutschige Pflaster einer verlassenen Gasse, die sich endlos durch das Armenviertel zog. Wieder blieb er stehen und sah zurück. Von den Larvae war nichts mehr zu sehen. Witternd hob er den Kopf. Hatten sie aufgegeben? Statt Aschegeruch lag ein Hauch von Berenike in der Luft. Der Geruch einer Blume des Südens, die erst bei Einbruch des Abends ihre Blüten öffnet, überlagerte den Gestank saurer Armut und Gosse. Vor wenigen Wochen hätte dieser Duft ihn kirre gemacht. Jetzt verspürte er eine leichte Reizbarkeit. Berenike fürchtete sich vor den Larvae.
    „War ja zu erwarten, dass so etwas passiert“, murrte er und rief in die Gasse hinein. „Sie haben unsere Spur verloren. Ich kehre um, und du machst dich am besten auf die Suche nach deiner Mama.“
    Er ging den genommenen Weg zurück, vorüber an blinden Fensteröffnungen und schiefen Holzläden. Die Larvae jetzt zu verlieren würde bedeuten, dass Aurora vergeblich auf einem Hügel vor Rom stand und fror.
    „Du hältst mich für feige!“, gellte Berenike in seinem Rücken.
    Sie war zurückgelaufen und kam auf ihn zu. Hart trafen ihre Sohlen auf das Pflaster. Die Armbrust auf ihn gerichtet, blieb sie stehen. Das Ebenmaß ihrer exotischen Züge litt unter verzerrten Mundwinkeln. Die Spitzen ihrer Fänge blitzten auf. Sie musste nur den Finger krümmen, und der Pfeil würde mitten in sein Herz treffen. Ohne sich von dieser Gefahr aufhalten zu lassen, wandte Ruben sich ab und ging weiter. Er riskierte damit einen Schuss in den Rücken, doch alles andere würde ihn in eine neue Konfrontation führen, die ihn von seinem Vorhaben ablenkte.
    „He! Wer ist nun der Feigling?“
    Die Frage zeigte ihm nur eines. Berenike konnte nicht mehr klar denken. Im Gehen drehte er sich zu ihr. „Drück ab oder lass es bleiben.“
    Rückwärts ging er weiter, die Augen auf den Abzug gerichtet. War sie schon so weit des Wahnsinns, dass sie ausgerechnet jetzt abdrücken würde und darüber vergaß, weshalb sie hier waren? Sie senkte die Waffe und folgte ihm.
    „Obwohl ich große Lust dazu habe, mache ich es nicht. Nicht etwa, weil mir an einem Frieden mit deinesgleichen liegt oder gar aus einem Gefühl der Zuneigung. Ihretwegen lasse ich dich heute Nacht davonkommen. Weil ich weiß, dass sie auf den eigenen Tod warten und nicht handeln würde, solltest du bei unserer Rückkehr fehlen. Nur deswegen!“
    „Wie auch immer“, erwiderte er mit einem Schulterzucken.
    Sein Blick schweifte über die Häuser. Ein Wunder, dass sich bei ihrem Geschrei niemand an den Fenstern zeigte, um nachzusehen, was in der Gasse vor sich ging. Die Menschen in diesem Viertel kümmerten sich nicht um nächtliche Schreie. Sie pressten die Augen zu und beteten, von Unheil und Kummer verschont zu bleiben.
    Berenikes Mandelaugen weiteten sich. Er machte noch einige Schritte rückwärts, bevor er den Aschegeruch wahrnahm. Eine Motte landete auf seiner Schulter. Mit einem Satz auf Berenike zu, wischte er das

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