Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
nicht zu vergessen dem Segen der allgewaltigen Mutter Erde werden wir ihn aufbrechen“, sagte Aurora.
Zwischen Mica und Selene fand ein stummer Austausch statt. Berenike schnappte nicht einen Funken ihrer abgeschotteten Gedankenblitze auf. Sie wusste ohnehin schon, wie ihre Entscheidung zu diesem Plan ausfiel. Beide waren zu alt, um vor großen Risiken zurückzuscheuen. Beide waren sogar so alt, um sich nach diesen Risiken zu sehnen, solange sie nur sich selbst gefährdeten. Solche Taten versprachen Abwechslung im Einerlei ihres Daseins.
„Abgemacht“, sagte Mica und streckte die Hand aus.
Ruben schlug ein, Aurora legte ihre Hand darüber. Tizzio umfasste wiederum ihre behandschuhten Finger, als gierte er nach einer Berührung mit seinem einstigen Mündel. Zuletzt legte Selene ihre Hand darauf. Ein Bild der Einigkeit, aus dem Berenike ausgeschlossen war. Sie wollte ihre Hand nicht darüber legen und ein Teil dieser Abmachung werden. Andererseits wollte sie nicht außen vorstehen, wenn es darum ging, die Larvae zu vernichten. Sie trat in den Kreis der vier.
„Und welche Rolle ist mir zugedacht?“
Ihre Frage durchtrennte die Bindung der Hände. Sie sanken herab. Berenike verschränkte die Arme und schob das Kinn vor. Alle starrten sie an, als sei ihnen ihre Gegenwart entfallen. Ihre Mutter fasste sich am schnellsten wieder. „Nike, du …“
„Wird mir wenigstens noch so viel Kraft zugestanden, um besagte Gräben auszuheben oder ist ein Mädchen mit spitzen Zähnchen selbst dazu eurer Ansicht nach zu schwach?“
„Mädchen mit … Woher hast du diesen Ausdruck?“, fragte Mica. Sie nahm ihm seine Betroffenheit nicht ab. Gewiss lachte er insgeheim über sie. „Nach allem, was du von dir gegeben hast, sind wir nicht davon ausgegangen, dass du dich beteiligen möchtest.“
„Die Larvae haben mich gefangen genommen. Schließlich saß ich in ihrem verdammten Webwerk fest. Ich war es, die Saphiras letzte Stunden miterlebte. Mir wurde alles genommen. Wovon bist du also ausgegangen, mein goldener Bruder?“
Mica zuckte die Schultern. Selene sah schweigend in die Nacht hinaus.
„Während ihr Gerechtigkeit üben wollt und Pläne schmiedet, soll ich nur zusehen und mich heraushalten. Wer gibt euch dasRecht, mich auszuschließen? Bin ich etwa weniger wert als ihr?“
Sie blickte von ihrer Mutter zu ihrem Bruder. Ihre Fragen offenbarten es. Sie war nichts Besonderes. Ihre Mutter hatte überlegt, sie zu töten, um die Schande einer Tochter, die keine Lamia mehr war, loszuwerden. Und die Gedanken ihres Bruders kreisten ohnehin ausschließlich um sein eigenes, sterbliches Kind in Paris. Immerhin besaß er noch so viel Anstand, es nicht töten zu wollen oder seine Existenz zu leugnen. Sie konnte es kaum glauben, aber etwas rann aus ihrem Auge und versteinerte auf ihrer Wange. Eine Träne, und sie verwandelte sich in einen harten Splitter, den sie fortwischte. Funkelnd blieb er am Boden liegen. Die Tränen des alten Volkes wurden zu Diamanten. Es war ein Beweis, dass sie noch immer eine Lamia war.
„Es geht nicht um Gerechtigkeit“, schaltete Aurora sich ein. „Die Hexengilden haben mit ihrem Fluch unrecht begangen und Unheil über andere und sich selbst gebracht. Im Kampf gegen die Larvae kann die Gerechtigkeit nicht siegen, weil es sie nicht gibt. Den Stärkeren gehört der Sieg, es ist unerheblich, auf welcher Seite das Recht steht.“
„Das ändert nichts daran, dass ihr mich nicht dabeihaben wollt. Wohl, weil ihr fürchtet, meine vermeintliche Schwäche könnte euch den Sieg kosten.“
„Nike, du redest Unsinn“, sagte Selene tonlos. „Du bist mein Kind und ich will nicht, dass du dich in Gefahr begibst.“
„Oh nein, du willst lieber deine Fänge in meinen Hals schlagen und im Nachhinein meinen Tod betrauern. Denkst du, ich habe nicht gehört, was du zu Mica gesagt hast? Wem willst du mit deiner Sorge um mich etwas vormachen?“
Selene wankte, als habe sie einen Schlag ins Genick eingesteckt. Sie senkte den Kopf und wich aus dem Kreis ihrer Gruppe zurück.
„Unsere Mutter hätte es nicht wahr gemacht“, sagte Mica. „Keine Lamia mordet ihr eigen Fleisch und Blut, so sehr es sich verändert hat.“
„Verändert!“, spie sie aus. „Warum sprecht ihr es nicht offen aus? Ich kenne eure Gedanken. Für euch bin ich ein Nichts, eine Last, von der ihr nicht wisst, wohin damit. Ihr verwehrt mir gar das Recht, an meinen Feinden Rache zu üben. Stattdessen verbündet ihr euch mit …“
Sie klappte
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