Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
mit einer Katastrophe zu tun hatte. Im Gegensatz dazu schien Mica alles darüber zu wissen.
„Ich bitte dich, Mutter. Pompeji wurde durch den Ausbruch des Vesuvs vernichtet. Es war eine Naturgewalt, die die Stadt unter sich begrub. Eine Hexe wäre dazu niemals imstande gewesen.“
„Es war eine Strega, und mit ihrem Hexenfeuer entfesselte sie den Vulkan! Sie alle sind gestorben. Die Bürger von Pompeji, Demetrios und die Strega selbst. Niemand konnte sich davor retten. Muss ich mehr dazu sagen?“
Stille trat ein. Langsam stieß Ruben den Atem durch die Nase aus. Aurora machte nicht den Eindruck, als könnte sie Vulkane wecken. Sie hatte sich wieder in ihr Buch vertieft. Ihr Finger glitt an den Zeilen entlang. Nach einer Weile hob sie den Kopf.
„So gewaltig kann es werden? Ich finde hier keinen Hinweis auf Pompeji oder eine ähnliche Zerstörung.“
„Zügle deinen Wissensdurst, Strega. Du würdest bei einem Versuch, es zu handhaben, zu Asche verglühen. Denke nicht länger über das Hexenfeuer nach. Wenn es den Satan gibt, so hat er es erfunden.“
„Aber es ist die einzige Möglichkeit, den Fluch zu brechen.“
„Darum geht es nicht. Es geht um Berenike. Ich will meine Tochter zurück. An dir ist es, sie zu finden. Dazu musst du keinen Fluch beenden. Sobald ich mein Kind wieder in die Arme schließen kann, bringen wir dich fort. Die Welt ist groß, die Larvae sind nicht überall. Was hat das Grimoire dir noch über sie offenbart? Es muss einen Unterschlupf in Rom geben, groß genug, um ihre Opfer darin festzuhalten.“
„Davon weiß ich nichts. Auf meine Frage nach den Larvae zeigt mir das Grimoire immer nur diese beiden Seiten.“
Ungeduldig schnalzte Mica mit der Zunge. „Hast du es schon einmal mit umblättern versucht?“
Vehement schüttelte sie den Kopf. „Das wäre ein Sakrileg. Ein Grimoire wird nicht gelesen, indem man die Seiten umblättert.“
Mica verdrehte die Augen und schenkte sich Wein nach. Er trank in langen Zügen.
Selene glitt näher. „Gemeinsam werden wir die Antwort finden. Hier kannst du ungestört dein Grimoire studieren. Bis auf den Aventin wagen sich selbst Larvae nicht hinauf, denn dieser Boden gehört noch immer mir und ist heilig.“
„Nein“, ging Ruben dazwischen. „Aurora wird nicht hierbleiben.“
Selene warf den Kopf zurück, verärgert über seinen scharfen Einwurf. „Halte dich heraus, Werwolf. Du hast nicht über eine Braglia zu bestimmen.“
„Sie steht unter meinem Schutz.“
Selene achtete nicht auf ihn, sondern beugte sich vor. Ihr Haar fiel über eine Schulter nach vorn, eine rote Kaskade, die sich um Aurora legte. Gleichzeitig streichelte Selene über ihre Silberlocken. „Ich kann dich vor jeder Gefahr bewahren. In meiner Obhut findest du die Sicherheit, nach der du dich sehnst.“
Ruben schnellte mit langen Schritten vor und flankte über die Rückenlehne der Liege, auf der Aurora saß. Mica stand zu weit entfernt, um ihn aufzuhalten, und so musste Selene zurückweichen. Sie senkte den Blick auf die beiden Dolche, die sich dicht vor ihrer Kehle kreuzten.
„Ruben“, keuchte Aurora.
„Halt dich fern von ihr, Lamia.“
„Bist du des Irrsinns, mich mit deinen Klingen zu bedrohen?“
Heimtücke funkelte im Grün der Katzenaugen. Selene holte zu einem niederträchtigen Vernichtungsschlag aus. Er stieß die Dolche vor, ehe sie etwas sagen konnte. Mit einem Fauchen schlug Selene seinen Angriff ab. Ihr Hieb kam schnell und hart und nahm ihm das Gleichgewicht. Er machte einen Ausfallschritt, fing sich und konnte doch nichts verhindern.
„Du elender Heuchler“, höhnte Selene. „Hast du ihr anvertraut, wo du die Nacht eurer Zusammengabe verbracht hast? Garantiert nicht. Bilde dir nicht ein, unser kleines Intermezzo würde mich davon abhalten, dir den Kopf von den Schultern zu reißen, Werwolf. Greife mich noch einmal an, und dein Schützling darf dich in kleinen Fetzen von meinem Boden wischen.“
„Was sagt sie da?“, hauchte Aurora, kniete sich auf die Liege und umklammerte die Rückenlehne.
„Mutter, das war nicht klug“, meinte Mica.
„Du hast die Nacht mit ihr verbracht? Unsere Hochzeitsnacht?“
Kurz schloss Ruben die Augen. Irgendwie hatte er gehofft, es geheim halten zu können. In seiner Brust krampfte ein Knoten und wollte seine Rippen sprengen. „Ich war dumm.“
Selene kicherte. „Er war außer Rand und Band und benahm sich wie das wilde Tier, das in ihm lebt. Eine Nacht mit mir hat er verlangt und ich stimmte
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