Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
zu, weil er anders nicht zu bewegen war, dir sein Versprechen zu geben. Er hat dein Vertrauen missbraucht.“
„Gar nichts habe ich verlangt. Du warst es, die …“
Aurora hob den Arm und unterbrach seine Rechtfertigung. Mica erahnte es als erster und brüllte: „Geht in Deckung!“
Aurora streckte den Arm und wies mit dem Zeigefinger auf Selene. „Du Schlange!“ Ihre Stimme erzeugte einen seltsamen Hall.
Ruben warf sich zur Seite und rutschte über den Terrakottaboden, während Selene stehen blieb, wohl, weil sie sich nicht angesprochen fühlte. Der Stoß aus Magie traf die Lamia mit einer Wucht, die sie von den Füßen hob und quer durch das Atrium schleuderte. Wind peitschte ihr Haar und ihr Gewand. Erst die Wand hielt sie auf. Sie prallte dagegen und rutschte wie eine Lumpenpuppe daran herab. Ein Geschöpf, das alle für unbesiegbar gehalten hatten, war vom Zeigefinger einer Hexe niedergestreckt worden.
Selene war klug genug, sich nicht sofort aufzurichten. Schlaff blieb sie liegen, das Gesicht vergraben in ihrem Haar.
Vorsichtig hob Ruben sich auf die Knie. Seine Härchen auf Armen und Beinen sträubten sich. Er starrte auf den gestreckten Zeigefinger, den langen runden Fingernagel und konnte nicht glauben, dass pure Magie hindurchgeflossen war.
Mica trat zu Aurora und schob sich zwischen sie und seine Mutter. Er ging in die Hocke, sodass sie in sein Gesicht sehen konnte. Sanft bog er ihren Finger nach unten. „Das war eine beeindruckende Demonstration deiner Kräfte. Du hast absolut keinen Grund zur Furcht, Aurora Braglia.“
Ihr Arm sank herab, während Mica ihr das Lächeln eines geborenen Verführers schenkte. Ruben konnte nicht dastehen und es geschehen lassen.
„Aurora, sei vorsichtig. Er versucht, dich zu bestricken.“
Den Nacken versteift, drehte sie den Kopf zu ihm. „Du hast vorgegeben, sie zu hassen. Dabei liebst du sie. Jetzt verstehe ich alles.“
„Nein! Nein, das stimmt nicht.“
Mica berührte mit zwei Fingern ihr Kinn, damit sie sich wieder ihm zudrehte. „Keine Lamia kann die Liebe eines Werwolfs wecken. Begehren kann sie schüren, seine Triebe hervorlocken, doch das ist keine Liebe. Aber du! Du bist ein Wunder, gesegnet mit sagenhaften Fähigkeiten. Du brauchst kein Feuer, solange der Wind deinem Willen gehorcht. Damit kannst du die Larvae vernichten.“
Selene setzte sich auf, richtete ihren Rock und ihr zerzaustes Haar und sank an die Wand in ihrem Rücken. „Mit ihrem Wind kann sie die Larvae zerstreuen, die Motten zerquetschen, aus ihnen Dreck an irgendwelchen Hauswänden machen. Aber in der nächsten Nacht würden sie unversehrt aus ihren Gräbern steigen. Tote sterben kein zweites Mal. Ihre Seelen sind es, die zerstört werden müssen.“
„Die Seele soll ewig sein. Sie zu zerstören steht mir nicht zu“, widersprach Aurora.
„Ihre Seelen sind verdammt, und mit jeder Untat werden sie schwärzer. Sie verdienen die Vernichtung. Doch nicht durch dich, denn du bist dem nicht gewachsen.“
Aurora rieb mit beiden Händen über ihr Gesicht. „Was haben die Gilden heraufbeschworen mit ihrer Rache? Es ist falsch. So falsch.“
Ihre Verzweiflung erschütterte Ruben stärker als ihr kurzer Ausbruch. Sie nahm es sich viel zu sehr zu Herzen. Am Ende würde sie sich einbilden, sie trüge Schuld daran.
„Wir kommen so nicht weiter. Unsere Erkenntnisse haben nichts geändert. Ich bringe dich nach Hause, Aurora.“
Ihre Hände glitten herab. „Nichts geändert? Alles hat sich geändert. Du hast mich belogen, mich verraten, mein Vertrauen mit Füßen getreten. Ich gehe nirgends hin mit dir.“
Ihre Stimme war so schrill, dass Mica und Selene die Hände über die Ohren schlugen. In Rubens Gehör setzte sich ein Klingeln fest. Es verursachte einen leichten Schwindel, als hätte sie ihm mit ihrem Gellen den Gleichgewichtssinn genommen. Aurora ging an ihm vorbei, jedoch nicht auf den Ausgang zu, sondern auf eine Tür im hinteren Teil des Atriums. Er eilte ihr nach.
„Wohin willst du, verflucht? Bleib stehen!“
„Lass mich zufrieden!“
Ihr Kreischen zog bis in seine Zähne. Vor seiner Nase krachte die Tür ins Schloss. Leicht benommen sah er auf das gemaserte Holz und packte den Knauf zu spät. Sie hatte bereits den Riegel vorgeschoben. Er rüttelte daran. „Mach sofort auf und komm heraus.“
„Darauf kannst du lange warten! Du bist entlarvt, Ruben de Garou. Ich kenne dich jetzt und deine niederträchtige Gesinnung. Mir bist du nichts schuldig. Geh
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