Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes

Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
Vom Netzwerk:
Husten oder Niesen aus den Kammern. Hier knackte höchstens ein Holzscheit im Kamin oder platschte ein Fisch im Bassin. Diese Villa atmete Vergangenheit.
    Sie zog die Schultern hoch. Ob es an dem Honigkuchen lag oder an den neuen Erkenntnissen, die das Grimoire ihr offenbart hatte, sie war versöhnlich gestimmt. Vor allem wollte sie nicht hierbleiben. Sie vermisste den Lärm eines Rudels. Sogar Ruben vermisste sie. Von jeher hatten die Braglia Größe gezeigt. Vergebung gehörte zwar nicht unbedingt zu ihren Vorzügen, aber siekönnte damit anfangen. Sie könnte Ruben vergeben.
    Die Schatulle unter den Arm geklemmt, machte sie sich auf die Suche nach Mica. Da der Honigkuchen Wunder gewirkt hatte, schob sie sich ein letztes Stück in den Mund. In einem Nebentrakt im hinteren Teil der Villa traf sie auf den Vampir. Die Flügeltür stand offen und Aurora ging davon aus, dass er ihre Schritte gehört hatte, also trat sie hindurch. Mica drehte sich zu ihr um, und die Reste des Kuchens verklumpten in ihrem Mund. Mühsam schluckte sie. Vampire waren eine fremde Gattung, nährten sich von Blut und besaßen eine unendlich hohe Lebenserwartung. Das alles war ihr bekannt. Doch erst als sie sein offenes Hemd bemerkte, seinen bloßen Oberkörper sah, wurde ihr das Ausmaß seiner Fremdartigkeit bewusst. Ihre Ahnung wurde zu einer unverbrüchlichen Tatsache. Das alte Volk war weit entfernt von der Schöpfung der allgewaltigen Mutter Erde. Nichts an Mica war natürlich. Weder die perfekte Modellierung seines Körpers noch die helle Haut. An ihm waren keine Leberflecken, keine Rötungen, keine Narben und nicht ein einziges Körperhaar. Aus weißem Marmor war ein Mann gemeißelt worden, der atmete und sich bewegte und doch nichts von einem Menschen an sich hatte.
    „Wecke ich deine Ängste, kleine Strega?“
    Seltsamerweise war das nicht der Fall, obwohl es durchaus Angst einflößend war, ihn so zu sehen. Dennoch waren Faszination und Wissbegier stärker. Wie hatte die Schöpfung etwas so Atemberaubendes und gleichwohl so Andersartiges hervorbringen können?
    „Woher kommst du?“, antwortete sie mit einer Gegenfrage.
    „Mein Revier ist seit etwa zweihundertfünfzig Jahren Paris. Zuvor war ich in St. Petersburg, Stockholm, Rom natürlich, Ägypten, Indien, lass mich nachdenken, wo ich noch alles war. Es liegt schon so lange zurück.“
    „Das meinte ich nicht. Woher stammt das alte …“
    Jäh verstummte sie. Mica hatte sich nicht bewegt, und dennoch hatte er die Distanz zwischen ihnen überbrückt und war dicht vor ihr angelangt. Sie betrachtete seinen muskulösen Oberkörper, suchte nach einem Makel und fand keinen. Dafür stellte sie fest, dass sein Körper Wärme aussandte, ähnlich einem in der Sonne aufgeheizten Stein. Es erklärte, weshalb das alte Volk gegen Kälte immun war. Sie konnten ihre Temperatur nach Bedarf regulieren.
    „Hat der Honigkuchen über die Enttäuschung hinweggeholfen?“, raunte er nah an ihrem Ohr. „Sollte dem nicht so sein, kann ich dir dabei helfen. Ich kann dir Vergessen bringen, deine Sehnsüchte erfüllen, deine Neugierde stillen. Alles, was du willst.“
    Sie lauschte auf sein wohliges Schnurren, spürte seinen Atem an ihrem Hals und machte einen langen Schritt zurück, um in das tiefe Türkis seiner Augen zu blicken.
    „Ein Ewiger kann eine Strega nicht verführen, hat deine Mutter dir das nicht beigebracht?“
    Schalk blitzte in seinen Augen auf. „Einen Versuch war es mir wert.“
    Er trat zurück und knöpfte sein Hemd zu. Aurora ging tiefer in das Zimmer hinein und nahm auf einem Stuhl Platz.
    „Ich habe darüber nachgedacht, was ein Fluch erfordert“, hob sie ohne Umschweife an. „Magie in dieser Form, der reinsten und höchsten, sei es nun schwarze oder weiße, braucht Vorbereitung.“
    „Ah, es reicht also nicht aus, einen Finger zu heben, um einen Fluch zu winden. Das beruhigt mich ungemein.“
    „Bei einem Fluch kann vieles fehlgehen. Es braucht exakte Abstimmung, denn er muss nicht allein gewunden, sondern auch gebunden werden, damit er nur diejenigen trifft, denen er gilt. Ich bezweifle, dass auf einem Scheiterhaufen Zeit für Präzision bleibt. Die drei Strega der römischen Gilden hatten diese Zeit nicht.“
    „Hast du dieses Wissen deinem dicken Buch entnommen?“
    „Flüche werden nicht niedergeschrieben. Allerdings zog ich das Grimoire zurate. Diesmal fragte ich nicht nach den Larvae, sondern nach den Verrätern. Durch ein anderes Ziel ergab sich eine andere

Weitere Kostenlose Bücher