Söhne der Rose - Die Zeit ist aus den Fugen- (Gay Phantasy) (German Edition)
unangenehm nah an meines.
„Die Welt, in der wir existieren, ist ein ungeordnetes Chaos. Das ist sie seit dem Urknall, und nichts hat sich geändert, als die ersten Lebensformen entstanden, und nichts, als sich daraus die ersten Mehrzeller bildeten. Die Natur selbst bevorzugt das Durcheinander. Aber das kann nicht – darf nicht – richtig sein. Das ist nicht natürlich.“
Er widersprach sich selbst: Natur – natürlich. Ich versuchte, meinen rechten Arm, der sich größtenteils noch im dritten Stock befand, langsam in seine Richtung zu bewegen. Der Fußboden war nur noch eine träge Substanz, halb flüssig, halb fest. Den General betraf das allerdings nicht, also konnte ich mich vielleicht an ihm festhalten.
„Gott hat uns Menschen geschaffen und mit einer einzigartigen Gabe versehen: Den Sinn für Ordnung und Disziplin. Wir stellen die Krone der Schöpfung dar, und unsere Aufgabe ist es, das Chaos zu beseitigen.“
Er verstummte. Ich wartete. Irgendwann wurde mir klar, dass er seine kleine Ansprache beendet hatte.
„Das ist alles?“, fragte ich, nicht um Zeit zu schinden. Ich war wirklich erstaunt.
„Das ist mehr, als genug. Begreifst du das nicht? Das Chaos ist überall. Es beginnt im Kleinen und zieht immer größere Kreise. Die Natur kann sich nicht selbst helfen, das können nur wir. Aber vorher muss gewährleistet sein, dass wir Menschen erst unser eigenes Durcheinander in Ordnung bringen. Glaubensfreiheit, Homosexualität, Gleichberechtigung der Frauen und Rassen, der Schlauen und Dummen, das sind alles nur die Anfänge. Lasche Gesetze und Korruption unterstützen diesen Mist. Die Folge davon sind Kriminalität, Gewaltbereitschaft und Anarchie."
„Jetzt sprichst du aber von dir.“
„Das ist nicht witzig“, spie er aus und drückte meine Kehle fester zu. „Menschen wie ich sind Erschaffer, Hüter und Bewahrer der Ordnung. Du kannst nicht allen ernstes erwarten, dass wir dazu in der Lage sind, indem wir uns einigen albernen Gesetzen beugen.“
Er widersprach sich immer häufiger. Inch für Inch näherte sich mein rechter Arm seinem linken.
„Du und deine Mutter, ihr seid doch die besten Beweise dafür. Aber das habe ich dir schon mal erklärt. Ihr wolltet mich vernichten, als ich in meiner Position als Soldat für Disziplin kämpfte. Jetzt bin ich Physiker und einer der reichsten Männer Amerikas. Niemand, und ich meine niemand, stellt sich mir jetzt noch in den Weg. Schon gar nicht du und deine schwulen Freunde. Ihr gehört sowieso alle ausgerottet.“
Der Druck auf meinen Hals wurde stärker.
„Und wer bestimmt, wer Hüter der Ordnung sein soll?“
Der General dachte einen Augenblick nach. Ich hatte seinen Unterarm fast erreicht.
„Jeder Mensch, der über die gleichen, hohen Moralvorstellungen wie ich sie habe, verfügt, weiß, dass er zu den Auserwählten gehört.“
„Du hast den totalen Gottkomplex.“
Das war ein Riesenfehler. Es war mir einfach rausgerutscht.
„Mag sein“, sagte er zornig und stand auf, bevor ich ihn packen konnte. „Aber dafür ist deine Zeit jetzt endgültig abgelaufen.“
„Warte!“, rief ich. Er reagierte nicht darauf, und drückte mein Gesicht mit seinem Stiefel durch den Fußboden. Das bisschen Licht, das von ihm ausging, verschwand, als meine Augen in dem hölzernen Sumpf der Bodenbretter untertauchten. Das Gewicht meines Körpers besorgte den Rest.
Ich fiel.
Bekam den Kronleuchter zu fassen, machte an ihm eine halbe Pendelbewegung, dann riss seine Verankerung aus der Decke und ich stürzte den Rest des Weges hinab, den Leuchter noch immer fest umklammert.
Der Aufprall war laut, extrem schmerzhaft und presste mir die Luft aus den Lungen. Splitter des mit Kristallen behängten Leuchters prasselten wie Hagel in alle Richtungen. Ich war auf meinem Rücken gelandet.
Unter meinen Fingern spürte ich etwas weiches, flauschiges, aber nicht den Filz des Billiardtischs. Das war einer der teuren orientalischen Läufer, von denen es drei Stück unterschiedlicher Größe im Billiardzimmer gab. Sofern die abartige, verzerrte Version der Villa im Bewusstsein des Generals mit der echten übereinstimmte.
Gleichmäßig, und ohne in Panik zu geraten, versuchte ich Luft in meine geschundenen Lungen zu saugen, während ich mich gleichzeitig bemühte, auf die Beine zu kommen. Ich zog mich an dem Billiardtisch hoch, strich dabei ungewollt über seine Bespannung und schnitt mich an der Handkante. Als ich endlich stand, fühlte ich vorsichtig wie ein
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