Söhne der Rose - Die Zeit ist aus den Fugen- (Gay Phantasy) (German Edition)
griff danach. Eine Schere. Ernest war schon wieder hinter mir. Ich wirbelte herum, stieß die Schere ohne richtig hinzusehen senkrecht nach oben und landete einen Glückstreffer. Ich ließ sie los. Die beiden Metallgriffe blitzen direkt unter seinem Kinn, der Rest der Schere war in seinem Kiefer verschwunden. Ernest stand ganz ruhig da, sah mich mit aufgerissenen Augen an, die sowohl Überraschung, als auch Wut oder Mordlust ausdrücken konnten, und öffnete langsam seinen Mund.
Die Klingen hatten seine Zunge aufgespießt und unter den Gaumen genagelt.
„ ... a... a... e... “
Ich verstand nur die Vokale, die seine Kehle ausstieß. Seelenruhig, als hätte er alle Zeit der Welt gepachtet, zog er die Schere aus seinem Unterkiefer. Speichel tropfte aus dem Loch.
„Das tat weh“, wiederholte er, jetzt, da er seine Zunge bewegen konnte. Ich hatte mich von seiner Ruhe täuschen lassen. Bevor ich reagieren konnte, schoss er auf mich zu, stieß mich gegen die Brust und rammte mir die Schere in meinen rechten Oberschenkel. Ich spürte ihre Spitzen an meinem Knochen vorbeischaben. Der Stoß und die lähmenden Qualen in meinem Bein reichten, dass ich flach auf den Rücken fiel. Dabei konnte ich noch von Glück sagen, nicht mit dem Schädel gegen das Bettgestell geprallt zu sein. Einen großen Unterschied hätte das allerdings auch nicht mehr gemacht.
Mein Herz raste, die Lungen arbeiteten heftig, viel zu schnell. Meine Nase war von Blut und vielleicht sogar Knochensplittern verstopft. Das Zimmer wirkte aus meiner Maulwurfperspektive viel höher, als es in Wirklichkeit war. Als läge ich in einem Turm. Die Puppen schienen mich aus dem, was von ihren schiefen, geschmolzenen oder zerplatzen Augen noch übrig war, vorwurfsvoll anzustarren.
In meinem sich langsam drehenden Blickfeld tauchte der General auf, riesig wie ein Baum, der massiv und unbarmherzig über mir aufragte.
„Ich kenne deine Vergangenheit, deine Gegenwart und deine Zukunft, Sohn. Auch wenn diese gerade abläuft.“
Er sprach diese Worte beinahe fürsorglich aus, wie ein Vater, der ernsthaft betroffen vom Schicksal seines Nachwuchses ist. Das machte es für mich umso schlimmer.
Statt mich zu treten, womit ich eigentlich fest gerechnet hätte, beugte er sich über mich, packte mich fest an meinen Oberarmen und zog mich auf die Füße. Schwindel und Übelkeit wurden schlimmer. Ich konnte mein rechtes Bein nicht belasten.
„Aber falls das ein Trost für dich sein sollte, kann ich dir versichern, dass du deine Freunde gleich wiedersehen wirst. Natürlich nur, wenn es ein Leben nach dem Tod gibt. Denn während wir uns hier in meinem Kopf vergnügen, ist mein Körper und der Rest meines Bewusstseins eifrig damit beschäftigt, den Schaden, den ihr angerichtet habt, wieder gut zu machen.“
„Du lügst“, sagte ich schwach. Blut lief aus meinem Mundwinkel.
„Ach ja? Warum sollte ich?“
Mir fielen einige Gründe ein, zum Beispiel, weil es in seiner Natur lag, oder weil er mir noch mehr wehtun wollte. Trotzdem wiederholte ich lediglich meine letzten beiden Worte. Vielleicht, weil ich einfach nur wollte, dass er nicht lügt, aber stille Zweifel daran hatte, dass er es tat.
„Einerlei“, sagte er und stieß mich mit voller Wucht rückwärts gegen die Wand. Hätte er mich dabei losgelassen, wäre ich zusammengesackt. „Gerade jetzt wird dein süßer Freund Alain zu mir gebracht. Meine Wachen haben ihn geschnappt und ihm den Signalgeber abgenommen. Ihr ward nicht mehr als eine kleine Zeitverzögerung.“
Der General hielt kurz inne.
„Zeitverzögerung. Das ist witzig, nicht wahr, Jul? Aber soll ich dir mal was sagen? Er wird nicht so leicht und schnell sterben, wie du. Schließlich ist Alain Blanchard zwar mein jetziges Fleisch, aber nicht mein Blut. Und was den Rigby Jungen angeht, den lasse ich sogar vorerst am Leben. Jetzt, da sein Zwilling tot ist, kann ich ihn für weitere Versuche verwenden. Vielleicht mache ich aus ihm doch noch die perfekte Truppe aus Elitesoldaten.“
Ich schrie. Hass, Wahnsinn, Schmerz, alles ballte sich in mir zusammen. Ich konnte mich nicht aus seinem Griff befreien, aber ich konnte ihn meinserseits an den Armen packen und mit Gewalt herumschleudern. Als er neben mir gegen die Wand prallte, platzten große Stücke aus Verputz und Mörtel heraus . Er nutzte meinen Schwung, zerrte mich um seine Achse und schleuderte mich ebenfalls wieder an die Wand. Wir drehten uns an ihr entlang, wie zwei agressive Tangotänzer.
Weitere Kostenlose Bücher