Söhne der Rose - Die Zeit ist aus den Fugen- (Gay Phantasy) (German Edition)
in die Ecke gedrängt wirst, kämpfst du. Und wenn nicht für dich, dann aber zumindest für deine Freunde. Das ist ganz normal. Nennt sich Überlebensinstinkt.“
Der Schweiß lief Alain nun in regelrechten Strömen über das Gesicht. Es sah so aus, als würde sein ganzer Kopf weinen.
„Ich habe mit eigenen Augen gesehen, was du mit Henry heute Morgen angestellt hast. Und ich habe gesehen, wie du damals mit deinem Vater gekämpft hast.“
„Nenn ihn nicht so. Das, womit ich gekämpft habe, war nicht mehr mein ... der General gewesen.“
„Aber du hast ihn platt gemacht.“
„Nein, wenn ich mich recht erinnere, hast du das übernommen.“
„Aber du hättest es getan, wenn es nötig gewesen wäre. Für deine Mom, für dich. Gib es endlich zu. Du hast eine dunkle Seite, so wie jeder von uns. Du bist nichts Besseres.“
Zack! Und wieder kam ein Selbstbetrug ins Schwanken. Nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass zwei Personen an einem einzigen Tag unabhängig voneinander an dessen Säule gerüttelt hatten. Wenn eine solch filigrane Architektur, die man mit so viel Mühe sorgfältig als Stütze eines Betrugs an sich selbst aufgebaut hat, von Außenstehenden demontiert wird, ist die Reaktion darauf ziemlich eindeutig: Wut.
In dem Moment wurden zwei Autotüren gleichzeitig aufgerissen. Die Zwillinge sprangen mit großen, braunen Papiertüten beladen in den Wagen.
„Wir haben den halben Laden leergekauft“, sagte Sinh munter und reichte mir seine Tüten, um die Tür zu schließen. Daxx tat dasselbe mit Alain. „Ich hoffe, du wolltest nichts von der Kohle zurückhaben, Alain. Falls doch, musst du dich mit dem pickligen Milchgesichtzombie im Shop auseinandersetzen. Der hat jetzt nämlich deine ganzen Moneten.“
„Aber es hat sich gelohnt“, sagte Daxx lachend. „Seht mal, was ... wir alles ... mitge... Was ist denn mit euch los?“
Jetzt verschwand auch Sinhs Lächeln. Er sah unsicher zwischen Alain und mir hin und her. „Scheiße, ihr sehr ja aus, als wolltet ihr euch gegenseitig in Brand stecken, nur durch bloße Willenskraft. Kommt mal wieder runter.“
„Es ist nichts. Keine Sorge“, sagte ich. Es klang falsch, gepresst, gekünstelt. Aber das war mir egal.
„Ich hoffe, ihr mögt dummes, ungesundes Zeug“, sprach Daxx unbeeindruckt fröhlich weiter und förderte einige der gerade erstandenen Schätze aus einer Papiertüte. „Denn davon besitzen wir jetzt Massen. Hier: Jelly Bellies, das sind die coolsten überhaupt! Dann noch Oreos, Snyders mit Honig, Senf und Zwiebeln.“
„Ritz-Cracker, Hershey’s- und Butterfinger-Riegel“, fuhr Sinh nahtlos fort. „Yoo-Hoo, Diet Pepsi, Dr. Pepper, äh, wieso habe ich das denn gekauft?“
„Mineralwasser, Zigaretten, Redenbacher’s Mikrowellenpopcorn.“
„Wofür das?“, fragte ich Daxx. Mein Zorn wich einem leichten Erstaunen. Daxx hob seinen Kopf von der Tüte und sah mich verständnislos an.
„Weil das lecker ist.“
„Oh Mann, Bruderherz, du imbécile. Das habe ich eben im Shop gar nicht mitbekommen, sonst hättest du gleich dort einen Tritt in den Hintern gekriegt.“
„Wieso denn?“
„Kannst du mir mal sagen, was wir mit dem Popcorn anfangen sollen? Soweit ich weiß, gehört eine Mikrowelle nicht zur Sonderausstattung eines Neon.“
„Oops“, sagte Daxx und grinste verschämt wie eine Comicfigur. „Daran habe ich gar nicht gedacht. Snickers?“
Er hielt seinem Bruder den Schokoriegel mit unverändertem Grinsen entgegen. Schon erstaunlich, wie brachial er die für ihn peinliche Situation zu überspielen versuchte, ohne auch nur eine Sekunde mit der Wimper zu zucken. Brachial und irgendwie belustigend. Innerlich dankte ich ihm dafür, die angespannte Situation damit entschärft zu haben. Sogar Alain konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, obwohl er sich die Hälfte des Dialogs zusammenreimen musste.
Was die eingeschweißte Popcornpackung angeht, die existiert heute immer noch. Ich habe sie als Andenken behalten. Kompakt und nicht größer als ein Päckchen Tabak, konnte ich sie bequem in meiner Hosentasche verstauen. Es ist interessant, wie die Zeit in der Lage ist, an schlimmen Erinnerungen so lange herumzumeißeln, bis sie wie angenehme Erinnerungen aussehen. Sicherlich auch ein Teil unseres Selbsterhaltungstriebs.
Nach nur etwas über fünf Stunden erreichten wir San Angelo, Texas, trotz Pinkelpausen. Daxx hatte sich als ebenso hervorragender Fahrer erwiesen wie sein Bruder. Wir hatten den
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